
Raffinerie Collombey-Muraz: Kunstausstellung statt Ölraffinerie«Chorégraphie Mécanique»
Die Schweiz verliert ihre Raffinerie im Unterwallis. Sie erstreckte sich über eine Fläche von rund 160 Fußballfeldern. Die Gesamtlagerkapazität der Raffinerie und des Verladebahnhofs umfaßte 760’000 m3.
Die Produktion betrug ungefähr 2.7 Millionen Tonnen Erdölprodukte pro Jahr, hergestellt aus Rohölen, die durch eine 340 km lange, die Alpen durch den Großen-St.-Bernhard-Tunnel durchquerende Pipeline vom Hafen von Genua nach Collombey transportiert wurden.
Die Produktion der Raffinerie entsprach ungefähr 19 Prozent des Schweizer Jahresverbrauchs an Erdölprodukten.
Aus der Raffinerie in Collombey gelangten pro Jahr rund 2.2 Millionen Tonnen in den Verkauf. Hiervon waren ca. 14 Prozent für den Schweizer Markt bestimmt und davon allein 10 Prozent für den Dieselmarkt. Noch 2004 wurde eine katalytische Krackanlage in Betrieb genommen. Sie gestattet, Vakuumdestillate in hochwertige leichte Produkte wie Benzin und Heizöl (extra leicht) umzuwandeln.
Die Raffinerie hatte eine Belegschaft von über 224 Personen. Die Raffinerie war auch eine bedeutende Dienstleistungs- und Materialabnehmerin in der Region und schaffte somit weitere Arbeitsplätze.
Was nun bleibt, ist eine Ausstellung.
«Chorégraphie Mécanique»
Im November 2021 hat Cédric Raccio mit seinem Projekt begonnen, den Rückbau der Tamoil-Raffinerie in Collombey anhand von Fotografie und Video zu dokumentieren. Dafür begab er sich einmal pro Woche vor Ort, um die verschiedenen Etappen der Demontage festzuhalten und die beauftragten Unternehmen zu treffen. Während drei Jahren konnte er sich frei auf der Baustelle bewegen und eine grosse Menge an Bildmaterial einfangen.
Anhand einer Videoinstallation mit acht Bildschirmen, auf denen gleichzeitig Szenen des turbulenten Abbruchs laufen, lässt er das Publikum in eine grandiose Choreografie eintauchen. Zum schrillen Lärm der Maschinen drehen sich Beton und Stahl in einem mechanischen Tanz. Eine Fotoserie begleitet zudem die Installation. Einige Bilder polarisieren die visuelle Last der Stahlstrukturen, andere verewigen die Tätigkeit der Arbeiter, in einer immensen, komplexen Welt im Umbruch.
«Chorégraphie Mécanique» dokumentiert einen bisher noch nie da gewesenen Rückbau und beleuchtet die Bedeutung dieses Standorts als Kulturerbe für die Region und die Bevölkerung. Die inszenierte Thematik wirkt auf den ersten Blick anorganisch und kalt, vermag aber die Seele zu fesseln und bringt eine besondere Schönheit zu Tage.
Das Kulturerbe von morgen entsteht in der aktuellen Produktion
Als Referenzinstitution für Fotografie, Film und Ton und deren Bewahrung engagiert sich die Mediathek Wallis-Martinach für die Identifizierung künstlerischer Arbeiten und von Kulturerbe von kantonalem Interesse. Der 2016 geschaffene Ausstellungsbereich «Dans L’Objectif» umfasst rund zwanzig Laufmeter und ist audiovisuellen Arbeiten aus jüngster Zeit vorbehalten, die idealerweise unveröffentlicht sind.
(pd, rm)
(Foto unten: Cédric Raccio)