
Sogenannter „Ringtausch“ ist rechtensViola Amherd hat recht!
Ein Kommentar von Thomas Baumann
Die Schweiz steht derzeit international massiv unter Druck, Kriegsmaterial an die Ukraine zu liefern. Dass dies nicht geht – nicht einmal indirekt – ist klar: Die Ausfuhr von Kriegsmaterial an kriegsführende Staaten ist hierzulande verboten. Und in einem Rechtsstaat hat man sich an die Gesetze zu halten: Wer etwas ändern will, muss erst die Gesetze ändern.Â
Recht ist Recht – und Politik ist Politik. Das eidgenössische Parlament könnte heute entscheiden, dass die Schweiz ihre Neutralität aufgibt oder der NATO beitritt. Zwar keine gute Idee, aber das Parlament wäre zweifellos dazu legitimiert, einen solchen Entscheid zu fällen. Klar: Damit er dann tatsächlich in Kraft tritt, müsste das Volk noch einer entsprechenden Verfassungsänderung zustimmen.
An die geltenden Gesetze hat man sich hingegen zu halten – egal was das Parlament heute oder morgen beschliesst oder beschliessen mag. Wenn der Bundesrat per 1. April 2022 die Maskentragepflicht im öffentlichen Verkehr aufhebt, dann kann trotzdem gebüsst werden, wer am 30. März 2022 keine Maske trägt. Es gilt das geltende Recht – nicht irgendwelche politischen Zukunftsaussichten.
Gemäss dem Bundesgesetz über das Kriegsmaterial (Kriegsmaterialgesetz KMG) werden Waffenausfuhren in friedliche, west- und mitteleuropäische Staaten grundsätzlich bewilligt, sofern eine Garantie der Nichtwiederausfuhr abgegeben wird. Somit gilt: Egal wie man politisch zum Krieg in der Ukraine steht – wenn das Gesetz die Ausfuhr von Kriegsmaterial nach Deutschland erlaubt, dann hat man dem Gesetz Folge zu leisten und die Ausfuhr zu gestatten.
Der Politik kommt in einem Rechtsstaat die Aufgabe zu, Gesetze zu machen, nicht selektive Rechtsanwendung zu betreiben. Wenn im Gesetz den Verkauf von Kriegsmaterial an Deutschland explizit erlaubt wird – die entsprechende Formulierung im KMG lautet: „die Ausfuhr […] werden bewilligt“ – dann kann diese Bewilligung nicht darum aufgehoben werden, weil Deutschland selber eigene Waffen herstellt und an kriegsführende Staaten verkauft. Denn dass dies ein relevantes Kriterium sei – davon steht im ganzen Kriegsmaterialgesetz kein einziges Wort.
Das Gesetz schreibt als Bedingung für die die Ausfuhr von Kriegsmaterial einzig vor, dass das von der Schweiz gelieferte Kriegsmaterial vom Empfängerland nicht an andere Staaten weitergegeben werden darf. Es schreibt nicht vor, dass das Empfängerland überhaupt keine eigenen Waffen an kriegsführende Staaten exportieren darf. Im Gesetz steht noch nicht einmal, dass der Empfänger kein ähnliches oder gar typengleiches Kriegsmaterial an kriegsführende Staaten liefern darf. Es steht nur, dass der Empfänger das erhaltene Kriegsmaterial nicht weiterexportieren darf. Alles andere – ob der Empfängerstaat eine eigene Rücstungsindustrie betreibt und wem er Kriegsmaterial verkauft – spielt überhaupt keine Rolle. Was zählt ist einzig: Das von der Schweiz exportierte, konkrete Rüstungsmaterial darf nicht weiterexportiert werden – schon gar nicht an kriegsführende Staaten.
Wollte man etwas anderes, dann müsste man erst das Gesetz ändern und entweder vorschreiben, dass die Schweiz nur an neutrale Staaten Waffen liefern darf, oder dass Waffenlieferungen an Staaten untersagt sind, die gleichzeitig eigenes typengleiches oder ähnliches Kriegsmaterial an Drittstaaten liefern.
Solange die von der Schweiz gelieferten Panzer 87 (Leopard 2A4) in Deutschland bleiben, ist somit an einem Export rechtlich rein gar nichts auszusetzen. Und in einem Rechtsstaat werden bekanntlich nicht aus politischen Gründen geltende Gesetze missachtet oder nur dann umgesetzt, wenn es politisch gerade opportun ist.
Wem der Wortlaut des Gesetzes nicht passt, muss dieses halt ändern. Eine andere Möglichkeit gibt es in einem demokratischen Rechtsstaat nicht. Stattdessen einfach eine selektive Rechtsanwendung erzwingen zu wollen, ist selbstverständlich nicht zulässig.
Bedingung ist aber auch hier: Deutschland darf die gelieferten Leopard 2A4 nicht an andere Staaten weiterexportieren – auch nicht an friedliche, west- und mitteleuropäische Länder. So sieht es das Kriegsmaterialgesetz vor. Wenn schon, müsste die Schweiz sie selber in die entsprechenden Länder exportieren.
(Beitragsbild: 7th Army Training Command from Grafenwoehr, Germany)