
Auch Herold Bieler kriegt’s nicht hinJournalisten und ihre Mühe mit den Zahlen
Eine Kolumne von Thomas Baumann
Journalisten und Zahlen – das ist eine lange Leidensgeschichte. Das neuste Kapitel schreibt wieder einmal der wackere Herold Bieler, publizistischer Leiter des – noch – Leitmediums im oberen Kantonsteil. Und er, das soll gesagt sein, gehört noch zu den besseren Journalisten auf dem Platz, berichtet er doch regelmässig über die wesentlichen Themen, die da sind: Wirtschaft und Recht.
Also hebt er an in seinem Kommentar auf der Frontseite: „Vor knapp zwei Jahrzehnten hatte die CS-Aktie einen Wert von über 80 Franken.“
Ach ja? Die CS-Aktie notierte im Frühjahr 2007 tatsächlich einmal für ein paar Tage über 80 Franken. Nur: Das war vor knapp 16 Jahren. 2023 minus 2007 ergibt nach Adam Riese bekanntlich 16. Vor zwanzig Jahren notierte die CS-Aktie nicht bei 80, sondern um die Marke von 20 Franken herum.
Ja, Journalisten sind eben gestresste Leute. Nur: Schnell einen historischen Aktienchart zu konsultieren wäre eine Sache von einer Minute gewesen. Man muss sich nicht wundern, verliert der Journalismus an Glaubwürdigkeit, wenn nicht einmal mehr diese Arbeit geleistet wird.
Da will man allerorten „einordnen“ (einfach Fakten zu berichten, dafür ist sich der zeitgemässe Journalist schon lange zu schade) – und schludert dafür mit den Fakten.
Doch nicht nur bei den Zahlen wird geschludert, sondern auch bei der Sprache. So reicht es unserem wackeren publizistischen Leiter von der Pomonastrasse nicht, nur die Banken an die Kette zu legen: „Die Banken, insbesondere die Topmanager, muss man endlich an die Kette legen.“
Ob in Sträflingskleidung oder ohne – das verrät er uns allerdings nicht.
Hätte Karl Marx, Zeit seines Leben ebenfalls Journalist, rechtzeitig von den Absichten seines Berufskollegen Bieler erfahren, hätte er die berühmte Stelle im kommunistische Manifest wohl anders formulieren müssen. Anstatt „Die Proletarier dieser Welt haben nichts zu verlieren als ihre Ketten“ – „Die Banker dieser Welt haben nichts zu verlieren als ihre Ketten.“