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Schalter weg, Automaten weg – und nun der Zuschlag
Matterhorn-Gotthard-Bahn wegen Billett-Zuschlägen in der KritikSchalter weg, Automaten weg – und nun der Zuschlag

Matterhorn-Gotthard-Bahn wegen Billett-Zuschlägen in der Kritik

Schalter weg, Automaten weg – und nun der Zuschlag
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Von Marco Diener, Erstpublikation auf Infosperber

Die Matterhorn-Gotthard-Bahn betreibt Stationen ohne Automaten. Wer kein Smartphone hat, zahlt künftig einen Zuschlag fürs Billett.

44 Stationen betreibt die Matterhorn-Gotthard-Bahn (MGB) zwischen Zermatt VS und Göschenen UR beziehungsweise Disentis GR. Aber nur 14 Stationen verfügen über einen Bahnschalter oder einen Billettautomaten. An den 30 anderen Stationen können Bahnkunden keine Billette kaufen.

An welchem Bahnschalter?

Heute ist das kein Problem. Wer an einer Station einsteigt, an der es keinen Bahnschalter und auch keinen Billettautomaten gibt, kann einfach in den Zug einsteigen und beim Kondukteur ein Billett lösen. Und dies zum normalen Preis. Aber nicht mehr lange.

Die MGB hat nämlich angekündigt: «Ab dem 1. Juni wird für den Erwerb von Tickets im Zug ab allen Stationen ein Servicezuschlag von 10 Franken erhoben.» Die MGB empfiehlt: «Um diese Zusatzkosten zu verhindern, empfehlen wir dir, dein Ticket vor dem Einsteigen über die verschiedenen Onlinekanäle oder am Bahnschalter zu erwerben.»

Nur: An welchem Bahnschalter? An den 13 Stationen zwischen Fiesch VS und Andermatt UR zum Beispiel gibt es gerade einmal einen Bahnschalter – in Oberwald VS. Billettautomaten gibt es auf der ganzen Strecke nicht.

Und die Touristen?

Im Wallis ist der Unmut gross: «Für ältere Leute, Kinder und andere Personen ohne Smartphone kann dies teuer werden», schreibt eine Infosperber-Leserin. Das Online-Portal walliser-zeitung.ch spricht derweil nicht von einer «Servicepauschale», sondern von einer «Strafe». Und es sorgt sich um die Touristen.

Die MGB schreibt zwar in einer Medienmitteilung schönfärberisch: «Die MGB hält aufgrund ihrer touristischen Ausrichtung am Verkauf in den Zügen fest und verbindet diesen mit einem Zuschlag von 10 Franken.» Doch walliser-zeitung.ch korrigiert – «Strafe» – und hält fest: Die MGB verliere kein Wort darüber, dass Touristen im Normalfall «solche Applikationen nicht auf dem Smartphone installiert haben». Und wahrscheinlich auch keine Lust haben, zum an sich schon stattlichen Billettpreis noch 10 Franken zusätzlich zu zahlen.

Das BAV hat nichts dagegen

Die Einführung von «Servicezuschlag» oder «Strafe» – wie man will – ist offenbar rechtens. Sie ist in den Tarifbestimmungen der Transportunternehmen vorgesehen. Und das Bundesamt für Verkehr (BAV) schreibt auf Anfrage von Infosperber, Stationen müssten nicht mit Bahnschaltern oder Billettautomaten ausgerüstet sein. Es müsse aber «sichergestellt werden, dass die ‹Non-Digitals› weiterhin ein physisches Ticket kaufen können. Wenn dieser Distributionskanal zusätzliche Kosten verursacht, können diese mit einem Zuschlag an die betroffene Kundschaft weitergegeben werden.» Wobei sich sogleich die Frage stellt, ob die «zusätzlichen Kosten» tatsächlich 10 Franken betragen.

Zwei Drittel der Stationen

Die MGB ist ein extremes Beispiel. Mittlerweile sind zwei Drittel all ihrer Stationen nicht mehr mit einem Schalter oder einem Automaten bestückt. Kein anderes Bahnunternehmen, das Infosperber kontaktiert hat, geht mit dem Dienstleistungsabbau so weit. Zudem sind die anderen Bahnunternehmen auch in Bezug auf den Servicezuschlag kundenfreundlicher als die MGB:

  • Die BLS betreibt insgesamt elf Stationen, die über keinen Schalter und auch keinen Automaten verfügen – acht im Simmental BE und drei an der Lötschberg-Südrampe VS. Die BLS schreibt dazu: «An diesen Haltestellen können Kunden und Kundinnen ihr Billett ohne Zuschlag beim Zugpersonal kaufen, sofern sie sich noch auf dem Perron beim Reisebegleiter oder bei der Reisebegleiterin melden.
  • Gleich handhaben es die Appenzeller Bahnen an den sieben Haltestellen auf der Strecke Altstätten SG – Gais AR.
  • Und auch die Rhätische Bahn verlangt an ihren sieben Haltestellen, an denen es weder Schalter noch Automat gibt, keinen Servicezuschlag.

Bei den SBB stellt sich das Problem mit den Stationen ohne Bahnschalter und ohne Billettautomaten nicht. «Alle Bahnhöfe der SBB verfügen über einen Billettautomaten», schreibt der grösste Bahnbetrieb.

Die Zentralbahn betreibt drei Linien in der Zentralschweiz und im Berner Oberland. Nur auf der Linie Meiringen BE – Innertkirchen BE gibt es an den Stationen weder Schalter noch Automaten. Dafür sind die Züge mit Automaten ausgerüstet. Die Passagiere können die Billette dort zu Beginn der Fahrt lösen.

Die Südostbahn hat zwar zwei Stationen – Altmatt SZ und Biberegg SZ – die über keinen richtigen Billettautomaten verfügen. Aber sie sind immerhin mit kleinen Geräten ausgerüstet, die Billette nach Biberbrugg SZ oder Arth-Goldau SZ ausgeben. Dort gibt es dann richtige Automaten. In Arth-Goldau zusätzlich auch einen Schalter.

So wie die MGB foutiert sich also niemand um Fahrgäste, die kein Smartphone mit der entsprechenden App besitzen. Für das Bahnunternehmen ist die Neuerung ja eine tolle Sache. Indem sie Schalter schliesst und Automaten entfernt, spart die MGB viel Geld. Und indem sie den Servicezuschlag erhebt, sorgt sie erst noch für zusätzliche Einnahmen.


Der Beitrag erschien zuerst auf Infosperber.ch.
Walliser Zeitung dankt für das Recht auf Zweitpublikation.


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(Archivfoto: MGB)

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