
BallerfrauDie verlorene Aufrichtigkeit der Sanija Ameti
Eine Kolumne von Thomas Baumann
Die GLP-Politikerin Sanija Ameti schoss auf ein Bildnis von Jesus und der Muttergottes Maria — und hatte dann, je nach Standpunkt, die Dummheit oder Unverfrorenheit, das Ganze auch noch auf den sozialen Medien zu präsentieren.
Schlimm genug! Noch schlimmer jedoch, wie sie das Unschuldslamm zu spielen versuchte. Originalton Ameti: «Als Vorlage für das 10-Meter-Schiessen habe ich Motive gebraucht, die genug sichtbar sind. Ich hatte nur einen Koller-Katalog zur Hand, der gross genug war. Auf den Inhalt der Bilder habe ich nicht geachtet. Das war nicht richtig. Tut mir von Herzen leid, falls ich damit jemanden verletzt habe.»
Und: «Hello, ich habe den Post gelöscht, weil sich Personen in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlen könnten.»
Vermeintliches Unschuldslamm (ZWISCHENTITEL)
Der Journalist Beni Gafner schrieb dazu in der Jungfrau-Zeitung}:
«‹Tut mir von Herzen leid, falls ich damit jemanden verletzt habe,› schreibt Ameti. Die GLP-Politikerin und EU-Beitritts-Lobbyistin tritt in TV-Sendungen spontan, gedankenschnell und schlagfertig auf. Das setzt eine gewisse Intelligenz voraus. Entsprechend hätte sie zum Zeitpunkt ihrer Pseudo-Entschuldigungen wissen müssen, dass sie längstens «jemanden verletzt» hat. Sie postete Ihre angebliche Reue zudem im Wissen darum, dass zuerst der Blick und danach voraussichtlich auch noch andere Medien ihre Tat thematisieren werden. Trotzdem posaunt sie mit ihrer Wortwahl im übertragenen Sinn in die Welt hinaus: Falls es da draussen irgendwelche komischen Leute geben sollte, denen Maria und Jesus auch heute immer noch etwas bedeuten und die sich deswegen verletzt fühlen, was für mich eigentlich unverständlich ist, dann täte es mir Leid. Echte Reue ausdrücken geht anders.»
Er beobachtete noch etwas Anderes: «Das aus Sicht von erfahrenen Schützinnen und Schützen im Übrigen bedenkliche Schussbild (riesige Streuung trotz kurzer Schiessdistanz, was auf schlechte Schützen hindeutet) entspricht dabei eher einer Randnotiz.»
Unbedarfte Schützin
Sanija Ameti ging es bei ihren Äusserungen somit nicht um Reue und bei ihrer Aktion — wie das Schussbild belegt — auch nicht ums Schiessen.
Zudem: Ein Koller-Auktionskatalog ist nicht so einfach aufzutreiben wie ein Denner-Aktionskatalog. Einen Koller-Auktionskatalog trägt man nicht eben mal so zufällig mit sich herum. Entweder muss man ihn für zwanzig Franken online bestellen — oder persönlich in der Galerie abholen gehen.
Dass Sanija Ameti gelogen hat, ist daher deutlich wahrscheinlicher, als dass alles nur ein unglückliches Missverständnis ist.
Man erinnere sich: Elisabeth Kopp musste seinerzeit nicht deswegen zurücktreten, weil sie ihren Mann telefonisch gewarnt hatte — sondern weil sie danach log. Rücktrittsforderungen an Sanija Ameti sind daher vor diesem Hintergrund durchaus gerechtfertigt.
Dreifaches Fehlverhalten
Noch etwas anderes spielt bei der Beurteilung ihr Aktion eine Rolle. Streng genommen bestand ihr missglückter PR-Stunt aus drei voneinander zu unterscheidenden Aktionen: Der Schussabgabe, dem Erstellen von Fotos und dem Posten der Fotos auf den sozialen Medien.
Kann man aus der Not heraus einmal einen Auktionskatalog zerschiessen, dann braucht es noch einmal einen weiteren bewussten Entscheid, überhaupt Fotos davon zu machen und diese dann auch zu publizieren. Es geht also gesamthaft um drei voneinander zu unterscheidende missglückte Entscheide.
Um ein analoges Beispiel zu machen, das für Sanija Ameti, welche sich bekanntlich für Frauenrechte einsetzt, ganz passend ist: Eine Frau wird nicht einfach so Mutter. Zuerst muss sie Geschlechtsverkehr haben und danach hat sie immer noch zweieinhalb Monate Zeit, zu entscheiden, ob sie tatsächlich Mutter werden will. Liegt sie erst einmal im Kreisssaal, kann sie auch nicht geltend machen, nicht zu wissen, wie ihr geschehen ist.
«Muslimische Migrationsgeschichte»
Das hinderte die WOZ aber nicht, ein strunzdummes Stück mit dem Titel «Die verlorene Ehre der Sanija Ameti» zu publizieren. Tenor: Sanija Ameti hätte vorbildlich gehandelt. Originalton WOZ: «Als sie dafür kritisiert wurde, reagierte die 32-Jährige so, wie in der Politik wohl nicht allzu viele reagiert hätten: Sie löschte den Post und bat um Entschuldigung.»
Kein Wort davon, dass die nicht einen Fehler machte, sondern mindestens drei: Die Schussabgabe, die Fotos davon und deren Posten auf den sozialen Medien. Von der halbherzigen Entschuldigung schon gar nicht zu reden. Und ob sie den Auktionskatalog wirklich zufällig mitgenommen hat, darf auch bezweifelt werden. Vorsatz ist bei diesem Aspekt genauso wahrscheinlich wie Fahrlässigkeit.
Stattdessen geifert die WOZ von «Hetzjagd» und — gleich zweimal «Mob». Im Überschwang der Emotionen verheddert man sich dabei auch noch: «Der misogyn-rassistische Eifer, mit dem eine junge Frau mit muslimischer Migrationsgeschichte angegangen wird, sagt viel über die hiesige Gesellschaft aus — nichts Gutes.»
«Muslimische Migrationsgeschichte» — was soll denn das schon wieder sein? Aber Eiferer, das sind natürlich nur die anderen…
Sanija Ameti ist alles andere als die unschuldige Freundin eines Verbrechers, welche von den Medien fertig gemacht wird — auf den Roman «Die verlorene Ähre der Katherina Blum» spielt der Titel des WOZ-Elaborats schliesslich an.
Sanija Ameti ist, ihre Anstellung bei einer PR-Firma zeugt davon, eine PR-Fachfrau, welche sich ein gleich (mindestens) dreifaches Fehlverhalten geleistet hat — und nun eben dafür die Konsequenzen zu tragen hat.