
Noch höhere Prämien und weniger Pflegepersonal?Oberwalliser Komitee "Nein zu EFAS"
Am 24. November kann die Schweizer Bevölkerung über die Änderung des Krankenversicherungsgesetz (EFAS) abstimmen.
Unter einem Deckmantel einer neuen Verteilung der Finanzierung bringt diese Vorlage massive Verschlechterungen für die Bevölkerung mit sich, so ein Walliser Komitee, das sich gegen die Vorlage ausspricht. Es argumentiert wiefolgt:
Die grundlegende Reform der Finanzierung des Gesundheitssystems, die von der Lobby der Versicherer durchgesetzt wurde, wird bei deren Annahme die Krankenkassenprämien noch mehr steigen lassen, als es bis jetzt schon der Fall ist. Der Druck auf die Pflegenden wird sich weiter verstärken und damit den Pflegenotstand noch intensivieren.
Das KVG in seiner aktuellen Form ist unbefriedigend. Im Vergleich zu allen anderen Sozialversicherungen werden die individuellen Prämien pro Kopf berechnet, ohne jeglichen Zusammenhang mit dem Einkommen.
Ungerecht
So bezahlt der Direktor einer Krankenkasse (wie Herr Direktor der Groupe Mutuel, der im Jahr 2022: 780’000.- pro Jahr erhalten hat) bei gleicher Franchise die gleiche Grundprämie von CHF 471.- pro Monat, wie die Angestellte in der Cafeteria eines Spitals (die Vollzeit CHF 58’500.- pro Jahr verdient).
Der eine gibt 0,72 % seines Einkommens für die Finanzierung des Gesundheitssystems aus, während die andere 9,7 % ihres Einkommens dafür aufwendet.
Auch daß die Zahnbehandlungen konsequent aus dem Leistungskatalog ausgeschlossen werden und es grundsätzlich keine verpflichtende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt ist mehr als unbefriedigend.
Heute werden die Gesundheitsausgaben im Krankheitsfall finanziert durch:
Unsere Prämien der Krankenkassen: Diese machen im Jahr 2024 etwa 38 Milliarden aus. Die Krankenkassen zahlen 45% der Kosten eines stationären Spitalaufenthaltes. In der Langzeitpflege (Altersheim und Spitex) sind es je nach Kanton im nationalen Durchschnitt 54%.
Unsere Steuern: die Kantone finanzieren zu 55% die stationären Aufenthalte im Spital, zu 45% die Kosten in der Langzeitpflege.
Uns selbst: Selbstbehalt (10%) und Franchise zahlt jede Person selbst vom Lohn oder der AHV. Die Schweiz ist eines der Länder mit der höchsten persönlichen Kostenbeteiligung. Im Jahr 2022 wurde sie auf 20 Milliarden geschätzt.
Dies sind die Verhältnisse im stationären Bereich. Im ambulanten Bereich, wie Hausarzt, Physio, Röntgen, etc., alle Therapien, Untersuchungen, Besprechungen nach denen der Patient, die Patientin danach wieder heim gehen kann, werden zu 100% von der Krankenkasse getragen, die jedoch wiederum die Franchise und Selbstbehalt zurückfordern.
Der Nationalrat arbeitet spätestens seit der Einführung des Krankenkassenobligatoriums daran, das Krankenversicherungsgesetz (KVG) weiter zu optimieren. Es wurde erkannt, daß mit der heutigen Situation die Prämien immer weiter steigen werden. Der Nationalrat hat 2023 EFAS beschlossen, gegen welches der VPOD erfolgreich das Referendum ergriffen hat.
Mit EFAS soll die Finanzierung im Gesundheitswesen einheitlich geregelt werden. Die Unterschiede zwischen ambulanter und stationärer Pflege sollen aufgehoben werden. Dieser Gedanke ist grundsätzlich dringend notwendig gedacht zu werden, in Anbetracht unserer heutigen Verhältnisse. Aber: Auf ein unbefriedigendes Krankenversicherungsgesetz folgt eine einheitliche Verschlechterungsreform.
Im neuen System werden in erster Linie alle Leistungen im Gesundheitswesen durch die Krankenkassen, also uns als Prämienzahler, beglichen. Die Kantone sollen so entlastet werden und nur noch zu etwa 20% sich beteiligen.
In allen Bereichen der Gesundheitsversorgung werden die Krankenkassen mit unseren Prämien den größten Teil der Ausgaben finanzieren. Das Parlament hat sich geweigert, den Kantonen eine Möglichkeit zur Kontrolle der Ausgaben im ambulanten Bereich zu geben. Für die Langzeitpflege bedeutet EFAS, daß die Kantone nicht mehr verpflichtet sind, die Restkosten zu finanzieren.
Folgen von EFAS sind dramatisch
Die Kantone werden in der Langzeitpflege nicht mehr mitentscheiden. Dies führt zu einer Machtverschiebung hin zu den Krankenversicherern. Was sicherlich Prämienerhöhungen bedeutet und somit den Weg weiter verbreitert zu der Zwei- oder gar Drei- Klassenmedizin. Dies ist eine seht ungesunde Entwicklung.
Versicherungen erhalten mehr Macht auf Kosten der Prämienzahler
Diese KVG-Revision verstärkt somit den Einfluß der Versicherer auf unser Gesundheitssystem, da sie in allen Bereichen zu den Hauptfinanzierern werden.
Wenn die Kantone nicht mehr verpflichtet sind, die Restkostenfinanzierung in der Langzeitpflege zu garantieren, verschärft sich die Lage zusätzlich. Auf diese Weise können sie sich von der finanziellen Verantwortung in diesem speziellen Bereich entlasten. Und gerade hier wird der Bedarf aufgrund der demografischen Entwicklung steigen.
Die Versicherten ihrerseits werden weiterhin zusätzlich zu den Prämien noch höhere Beträge aus der eigenen Tasche bezahlen müssen als heute, denn die KVG-Revision wird höhere Selbstkostenostenbeteiligungen ermöglichen. Dies wurde vom Parlament ebenfalls beschlossen und wurde vom Bundesrat abgesegnet.
EFAS und die Konsequenzen für das Pflegepersonal
Bereits heute wird von Pflegenotstand gesprochen. Pflegende verlassen ihren Beruf aus verschiedenen Gründen: Keine Zeit für den Patienten, die Patientin zu haben und dadurch eine qualitativ schwächere Pflege leisten zu müssen, ist einer der Hauptgründe. Die Problematik der Löhne und der Arbeitsbedingungen in der Pflege wurde von der Bevölkerung mit der Annahme der Pflegeinitiative erkannt.
Wenn sich mit EFAS der Zeitdruck auf die Pflegenden weiter erhöhen wird, da die Krankenversicherer pro Patient oder Patientin noch weniger für die Leistungen zahlen, wird sich der Pflegenotstand verschärfen.
Die Lohnkosten des Pflegepersonals ist der größte Faktor im Gesundheitswesen. Die Löhne drohen zu sinken anstatt zu steigen, die Angestellten werden die Institution verlassen, die Qualität wird sinken und die Probleme weiter verstärken.
Fazit ist deutlich, die Reform ist eine Abwärtsspirale und bekämpft die Probleme nicht
EFAS ist keine Antwort auf die Hauptprobleme des Gesundheitssystems: Kopfprämien ohne Rücksicht auf die Einkommenshöhe der Versicherten und die kolossalen Gewinne der Pharmaunternehmen, die Undurchsichtigkeit der Krankenversicherer, der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen.
Das Gesundheitswesen muss reformiert werden. Die heutige Situation ist unhaltbar. Dies hat der Nationalrat erkannt. Nur ist EFAS eine schlechte Lösung.
Es gibt viele Lösungsansätze, die anzuschauen es sich lohnen könnte.
EFAS ist auch innerhalb der Parteien umstritten. Die Stimmempfehlungen wurden in allen Parteien stark diskutiert. Gelegentlich sind sich Parteispitze und Basis nicht einig gewesen.
EFAS ist zu wenig durchdacht. EFAS gibt die Macht im Gesundheitswesen den Krankenkassen. Die Kantone ziehen sich mit EFAS aus ihrer Verantwortung.
(pd)