
Viola Amherd wirbt für die EU«Die EU ist ein zentraler Faktor für Frieden und Stabilität auf unserem Kontinent. Und die wichtigste Partnerin der Schweiz»
Viola Amherd will weitere EU-Intergration der Schweiz und forciert eine Annährung an das Militär-Bündnis Nato, was auf Kritik stößt von einem großen Teil der Bevölkerung, die weiterhin für die Neutralität und Unabhängigkeit der Schweiz einsteht.
Eine Rede von Bundespräsidentin Viola Amherd, Chefin des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), anläßlich der Europatagung der Europäischen Bewegung Schweiz, Bern, Freitag, 6. Dezember 2024, hat nun das VBS veröffentlicht.
Herr Präsident
Werte Vertreterinnen und Vertreter der eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Behörden
Meine Damen und Herren
Ich freue mich sehr, heute bei Ihnen zu sein.
Primeurs werde ich Ihnen keine bieten können, aber das haben Sie wohl auch nicht erwartet.
Erwartet haben Sie vermutlich, dass ich von Europa und den bilateralen Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union sprechen werde.
Da Ihr Anlass Europatagung heisst, liegt diese Erwartung auf der Hand.
Mais d’abord, permettez-moi de vous présenter sous un autre angle ce qui m’a marquée durant mon année en tant que présidente de la Confédération.
Je me suis rendue à New York à trois reprises pour participer à des évènements de l’ONU.
J’y ai mené des discussions avec mes homologues étrangers sur l’état du multilatéralisme.
Nous sommes actuellement confrontés à une situation géostratégique fragmentée, à l’escalade de conflits et à une montée du protectionnisme.
Comme l’ont fait plusieurs de mes prédécesseurs à la présidence de la Confédération, issus de tous horizons politiques, j’ai mis en garde contre les dangers que ces évolutions géopolitiques présentent du point de vue de la Suisse.
Meine Damen und Herren
Ihre Bewegung geht zurück auf einen Schweizer Volksentscheid Anfang der Neunziger Jahre.
Das Nein zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) hat in der Schweiz eine Phase der wirtschaftlichen Stagnation mitgeprägt.
Allerdings waren auch viele andere Industrienationen mit einem schwachen Arbeitsmarkt und sozialen Problemen konfrontiert.
Die Neunziger Jahre waren zudem die Zeit der schrecklichen Kriege im ehemaligen Jugoslawien und des Völkermordes in Ruanda.
Dennoch tendieren zumindest wir Älteren dazu, diese Dekade zu idealisieren. Neben altersbedingter Nostalgie und Erinnerungen aus dem Bereich der Popkultur gibt es dafür durchaus politische Gründe.
Diese Gründe sind vor allem auf der multilateralen Ebene zu suchen.
So war die Rio-Konferenz wegweisend für den globalen Umweltschutz, Kyoto für die Klimaziele und die Konferenz von Peking für die Rechte von Frauen und Mädchen.
Mit der Ottawa-Konvention wurden Landminen geächtet und das Römer Statut schuf den Internationalen Strafgerichtshof.
Kurz: Es gab auf globaler Ebene echte Fortschritte, die wir heute vermissen.
Dafür gibt es keinen Ersatz. Die globalen Fragen können nicht ausschliesslich in Europa beantwortet werden.
Aber es ist offensichtlich: Eine enge Zusammenarbeit auf kontinentaler Ebene bildet bei dieser Ausgangslage eine Voraussetzung für wirksame Kooperationen auf globaler Ebene.
Unseren eigenen Beitrag zur Stabilität und Prosperität des Kontinents sollten wir weder klein- noch grossreden.
Wenn die Schweiz zum Beispiel ihre bilateralen Beziehungen zu anderen europäischen Ländern stärkt – sagen wir: zur Tschechischen Republik, deren Präsident vor einem Monat bei uns auf Staatsbesuch war – ist das ein weiterer solider Baustein im europäischen Gefüge.
Meine Damen und Herren
Im europäischen und globalen Kontext, wie ich ihn geschildert habe, müssen wir die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) verstehen.
Sie begannen am 18. März dieses Jahres – das weiss ich so genau, weil ich dabei war.
Zusammen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen konnte ich in meiner Funktion als Bundespräsidentin die Verhandlungen offiziell eröffnen.
Davor hatte ich die EU-Kommissionspräsidentin am WEF-Jahrestreffen gesehen.
Wir haben uns auch bei anderen Gelegenheiten, etwa auf dem Bürgenstock, beim CERN-Jubiläum in Genf und beim Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft in Budapest getroffen.
Die Beziehungen zur EU zählen zu den Schwerpunkten meines Präsidialjahrs.
Zahlreiche Begegnungen, die ich in den vergangenen Monaten mit europäischen Führungspersönlichkeiten hatte, waren unter anderem diesem Thema gewidmet.
Ich engagiere mich aus Überzeugung. Die EU ist ein zentraler Faktor für Frieden und Stabilität auf unserem Kontinent. Und die wichtigste Partnerin der Schweiz.
Deshalb ist eine Einigung aus zahlreichen Gründen essenziell. Es geht dabei um die Wirtschaft, um Unternehmen, um Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Es geht um den Wissenschaftsstandort, um Forschende und Studierende, um die Vorzüge der Assoziierung an Schengen/Dublin und vieles mehr.
Nicht zuletzt bringt die Teilnahme am Binnenmarkt mehr Sicherheit angesichts der geopolitischen Herausforderungen unserer Zeit.
Mit dem Verhandlungspaket kann die Schweiz ihren sektorspezifischen, für sie massgeschneiderten Weg weiterführen.
Kooperativ in der Haltung, aber hart in der Sache: So verhandeln wir. Rund 180 Sitzungen fanden seit Mitte März statt.
Vergangene Woche erst hat Bundesrat Ignazio Cassis hier in Bern den Vizepräsidenten der EU-Kommission Maroš Šefčovič getroffen.
Die Dynamik ist positiv und in den meisten Bereichen haben wir substanzielle Fortschritte erzielt.
Jetzt befinden wir uns in der letzten Phase. Die Lösungen müssen nicht nur aussenpolitisch machbar, sondern auch innenpolitisch umsetzbar sein.
Damit dies gelingt, laufen intensive Arbeiten und Gespräche.
Zum gegebenen Zeitpunkt wird der Bundesrat das Ergebnis der Verhandlungen analysieren und über die Unterzeichnung und die Vernehmlassung entscheiden.
Die Hauptrollen in den darauffolgenden Etappen obliegen Parlament und Volk.
Meine Damen und Herren
Die Zeiten sind ernsthafter, bedrohlicher geworden. Die Welt ist fragmentiert, weniger global, weniger westlich. Die Demokratien stehen unter Druck.
Die internationale Rechtsordnung droht durch eine Ordnung ersetzt zu werden, die ausschliesslich auf dem Recht des Stärkeren basiert.
Ich hoffe, dass in der innenpolitischen Debatte gerade in dieser Situation die Wichtigkeit geregelter Beziehungen zur EU herausgestrichen werden kann.
Dass die Protagonisten – also auch Sie! – neben den Anforderungen der Tagespolitik und den berechtigten Diskussionen über die beidseitigen Interessen die grossen Linien im Auge behalten.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(rm, pd)
(Archivbild)