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Streit in Guttet-Feschel:

Streit in Guttet-Feschel:

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Eine Glosse von Thomas Baumann

In den Leuker Sonnenbergen spielen sich derzeit mysteriöse Szenen ab. Das Mysterium beginnt schon bei der Anreise: Wer in die Sonnenberge fahren will, steigt am Bahnhof Leuk in einen Bus der LLB und wähnt sich schon bald in einem Film mit James Bond. Nicht wegen der kurvenreichen Strasse – auch die Busfahrer haben schon seit Längerem keinen Fendant mehr im Blut – sondern wegen der imposanten Lauscher, die da rechts von der Strasse wie überdimensionierte Champignons wuchern.

Diese befinden sich offiziell auf Gemeindegebiet von Leuk. Doch wie es bei Champignons eben so ist: Die unterirdischen Netzwerke sind deutlich weiter verzweigt als die oberflächlich sichtbaren Strukturen. Warum sollte es hier anders sein? Und militärische Gesichtspunkte orientieren sich sowieso mehr nach geographischen Begebenheiten als nach Gemeindegrenzen.

Militärische Geheimnisse in den Walliser Bergen?

Unlängst also begab es sich, dass ein Bürger Guttet-Feschels, einer Gemeinde, die sich leicht schräg oberhalb ebendieser Lauschanlage befindet, mit dem Amt des Gemeindepräsidenten in Konflikt geriet. Grund dafür: Bei der Qualität der von der öffentlichen Hand vorzunehmenden Schneeräumung zu seinem Haus besteht offenbar noch Optimierungspotential. Beziehungsweise, immer gemäss Auskunft besagten Bürgers, ist besagte Qualität „past its peak“. Und zwar genau seit der Schwager des Gemeindepräsidenten dafür zuständig sei.

Ein Wort gibt das andere – und am Schluss landet man beim hässlichen Wort „Vetternwirtschaft“. Dazu muss man noch wissen, dass besagter Bürger ein Roter ist. Rote im Wallis sind historisch eine rare Spezies – gestählt in epischen Kämpfen mit Vertretern der Kapitals. Ganz anders als in urbanen Gebieten brütende Rote, die höchstens mit Brechreiz nach dem wiederholten Herunterkippen überteuerten italienischen Schaumweins in angesagten Bars kämpfen und „Kapitalist“ nur als Begriff aus dem Marxismus-Seminar kennen. Unser im kleinen heilen Dorf Guttet-Feschel ansässiger Roter erdreistete sich also, Fotos (!) des suboptimal geräumten Zufahrtswegs anzufertigen – was dem Gemeindepräsidenten gar nicht gefiel. Umgehend liess er sich im Walliser Boten, einem Konkurrenten dieses Blatts, verlauten: „Die Gemeinde hat […] ihn aufgefordert, das Fotografieren des öffentlichen Raums unverzüglich zu unterlassen.“ Dem Gemeindepräsidenten ist natürlich zuzustimmen: Wo kämen wir denn hin, wenn jeder beliebige Bürger einen Weg oder gar eine Strasse fotografieren dürfte.

Hoffnungsvoll wandte sich diese Zeitung daher mit ein paar kurzen Fragen in dieser Angelegenheit an Gemeindepräsident Philipp Loretan. Dieser wollte sie jedoch nicht beantworten – lud Ihren Kolumnisten jedoch zu einem persönlichen Gespräch ein. Oder „vor“?
In der Nähe einer grossen militärischen Abhöranlage wird einem Bürger mit Verbindungen zu militärkritischen Kreisen – zumindest hängt er unzweifelhaft der Devise „lieber rot als tot“ an – verboten, einen Quartierweg zu fotografieren. Ein kritischer Journalist, der ein paar einfache Fragen stellt, erhält auch auf schriftliche Nachfrage hin keine Auskunft, sondern die Aufforderung, sich zu diesem Zwecke persönlich beim Gemeindepräsidenten einzufinden.

Was wird hier gespielt? Ihr Kolumnist sieht sich schon an den imposanten Felswänden Leukerbads „Cliffhanger 2“ in der Hauptrolle spielen. Ohne Gage, versteht sich. Und wenn wieder einmal ein Grüezi beim Schneeschuhlaufen im Wallis einfach so verschwindet, fällt das auch nicht weiter auf…

Oder Schalmeienklänge einer neuen Generation?

Doch halt – vielleicht versteckt sich gar nicht die hässliche Fratze des militärisch-industriellen Komplex‘ hinter dem unschuldig-freundlichen Gesicht des jungdynamischen Gemeindepräsidenten. Vielleicht hat der rote Bürger gar nicht unwissentlich militärischen Sperrgebiet fotografiert, dass so geheim ist, dass es nicht einmal entsprechend deklariert wird. Vielleicht befindet sich unser Gemeindepräsident gar auf einer noch viel geheimeren, viel delikateren Mission. Die das lautet: Wie kann seine darbende Partei neue Wählerschichten gewinnen? Nachdem zu Zeiten der in Sandstein und Mergel gemeisselten absoluten Mehrheit das Projekt, die Stimmen Verstorbener, solange sie auf dem Friedhof ruhen, ebenfalls der C-Familie zuzurechnen, wie immer aufgrund interner Querelen gescheitert war, stellte sich umso dringender die Frage: Was tun?

Die Generation der um 1990 Geborenen wird auch als Snowflakes, Schneeflocken, bezeichnet. Hat ein aufstrebender Nachwuchspolitiker etwa eine parteiinterne Direktive, das Wählerreservoir der Schneeflocken anzuzapfen, zu wörtlich genommen? Ging es also gar nicht um die Strasse, um kalten toten Beton, welche der unzufriedene Bürger fotografierte – sondern um die Persönlichkeitsrechte der fotografierten Schneeflocken? Wir harren gespannt einer Antwort. Denn irgendeinen guten Grund hinter dem Verbot, eine Strasse zu fotografieren, müsste es doch geben…

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