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Patrik Müller sieht rot:

Patrik Müller sieht rot:

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Eine Kolumne von Thomas Baumann

Just am 24. Februar, dem Tag, als die russische Invasion in die Ukraine begann, veröffentlichte die Weltwoche einen Artikel über Putin, den „Missverstandenen“.
Die NZZ monierte darauf: „Da die Weltwoche am Dienstag Redaktionsschluss hat, konnte man den Kriegsausbruch zwar nicht voraussehen, aber das Risiko, das der auf spielerische Provokation spezialisierte Chefredaktor damit in Kauf nahm, war beträchtlich – und in diesem Fall wurde er von der Brutalität der Ereignisse ziemlich blossgestellt.“

Immerhin: Wenn hier jemand blossgestellt wurde, dann war es die Weltwoche-Redaktion selbst. Ganz anders bei den Zeitungen des CH Media-Verbunds: Hier erschien an demselben Tag ein Artikel, gezeichnet von Chefredaktor Patrik Müller und zwei Mitautoren, über die „Schweizer Putin-Versteher“.
Darin zitiert die Zeitung – in indirekter Rede überdies – unter anderem eine Nationalrätin mit der Aussage, dass „Putins Aktionen nachvollziehbar“ seien. Natürlich: Diese Aussage wurde vor Beginn der Invasion gemacht. Nur: Als am Morgen des 24. Februar allerorten die Köpfe glühten, war dies wohl nicht jedem bewusst. Auch weil die Zeitung ausgerechnet im Untertitel schrieb: „Der autokratische Präsident Russlands schickt Truppen in die Ukraine“.

Im Gegensatz zur Weltwoche, die sich im schlimmsten Fall selbst blossstellte, wurden in den CH Media-Zeitungen die Interviewten blossgestellt – nicht zuletzt durch die irreführende Titelsetzung. Immerhin: In der Digital-Ausgabe wurde der Artikel rasch mit dem Satz „Die Befragung wurde vor Kriegsausbruch durchgeführt“ ergänzt. Nicht so jedoch im Print. Die Frage, welche Massnahmen CH Media getroffen habe, um die irreführende Darstellung in der gedruckten Ausgabe zu korrigieren, wollte Chefredaktor Müller nicht beantworten – dafür wies er frohlockend auf einen Folge-Artikel hin, der am 2. März erscheinen sollte.
Doch wer erwartete, dass CH Media darin die Irreführung richtigstellen und sich dafür entschuldigen würde, sah sich getäuscht. Von Richtigstellung oder gar Entschuldigung kein Wort. Dafür stimmte gleich der erste Satz des Artikels – nachdem man fast eine Woche Zeit gehabt hatte, ihn korrekt zu formulieren – in mehrfacher Hinsicht wieder nicht: „Am Tag vor Kriegsausbruch zeigten prominente Schweizer gegenüber CH Media noch viel Verständnis für Putin.“ Bloss: im Fall von Roger Köppel zitierten Patrik Müller und seine Mitautoren einfach aus seiner Sendung „Weltwoche Daily“ – und überdies vom 22. Februar, nicht vom 23. Februar.

Wurden in der CH Media-Ausgabe vom 24. Februar neben Alt-FIFA-Präsident Sepp Blatter und dem Publizisten Eric Hoesli fünf Politiker zitiert – neben drei SVP-Nationalräten auch PdA-Nationalrat Denis de la Reussille und CVP-Alt-Ständerat Filippo Lombardi – so verblieben im Folgeartikel nur noch die drei SVP-Nationalräte. Wollten die beiden anderen Politiker nicht reden – oder wurden sie geschont? Patrik Müller blieb auch hier eine Antwort schuldig. Denn zumindest im Fall von SVP-Nationalrätin Yvette Estermann war klar, dass sie ausser dem Satz, dass sie mit dem Krieg nicht einverstanden sei, ebenfalls nichts sagen wollte. CH Media liess sich aber die Gelegenheit nicht nehmen, das explizit hinzuschreiben. Offenbar gilt hier die Devise: Wenn jemand blossgestellt werden soll, dann mit allen Mitteln. Als Lombardi und de la Reussille nichts sagen wollten, wurde das hingegen nicht erwähnt.

Auch bei Roger Köppel tritt die Abneigung des CH Media-Chefredaktors kaum verhohlen zu Tage. Da er materiell nichts recherchieren konnte, zündelte er einfach in Richtung Köppel, ohne irgendeinen Beleg für seine Aussage anzuführen, es gäbe im Bundesparlament „kaum noch jemanden, der Köppel ernst nimmt.“ Wehe aber, man wage es, Patrik Müller selber für solch billige Aussagen als „billigen Pöbler“ zu bezeichnen. Umgehend kommt die Drohung: „Wiederholen Sie dies, werde ich rechtliche Schritte einleiten.“

Dies erinnert frappant an die Jenny aus Brechts Mahagonny-Oper, die da sang: „Und wenn einer tritt, dann bin ich es – und wird einer getreten, dann bist´s du.“ Bei Patrik Müller scheint die Rollenverteilung ebenso klar zu sein.

SW
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