Kein Wiederaufbau nach Bergsturz von Blatten?Umfrage: Große Skepsis gegenüber Wiederaufbau
Der Bergsturz von Blatten hat nicht nur massive Zerstörung hinterlassen, sondern auch eine landesweite Debatte über die Zukunft des Dorfes entfacht.
Die Schäden sind gewaltig, von tonnenschweren Gesteinsbrocken und rund 10 Millionen Kubikmetern Gestein ist die Rede.
Blatten solle wieder aufgebaut werden, hieß es noch Mitte Juni seitens des Gemeindepräsidenten Matthias Bellwald. Sogar der ursprüngliche Dorfkern solle wieder aufgebaut werden, bereits im kommenden Jahr solle der Dorfplatz von Schutt und Geröll befreit sein, so der Lokalpolitiker gegenüber dem Staatsfernsehen SRF.
Eine aktuelle Umfrage zeigt jedoch, daß die Mehrheit der Schweizer den Wiederaufbau am ursprünglichen Standort ablehnt und sogar Zwangsumsiedlungen in gefährdeten Bergregionen befürwortet.
Verheerende Katastrophe und erste Pläne
Am 28. Mai 2025 traf ein gewaltiger Bergsturz das Lötschental und begrub große Teile von Blatten unter bis zu zehn Millionen Kubikmetern Gestein und Eis. Der aufgestaute Fluß Lonza überschwemmte zudem verbliebene Teile des Dorfes.
Kurz nach der Katastrophe zeigte sich die Schweiz solidarisch: Der Kanton Wallis stellte zehn Millionen Franken bereit, und der Bund sowie private Spender signalisierten Unterstützung.
Gemeindepräsident Matthias Bellwald skizzierte im Juni Pläne, wonach der Dorfkern bis 2029 von Schutt befreit und in den benachbarten Weilern Eisten und Weißenried ein neues Blatten entstehen sollte. Diese Vision sah ein modernes Pionierdorf mit Dorfladen, Gemeindehaus und Hotels vor, basierend auf Autarkie und einem partizipativen Prozess.
Solidarität ja, aber Wiederaufbau an gleichem Ort nein
Eine repräsentative Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag von Blick, veröffentlicht am 29. August 2025, zeigt, daß trotz all der großen schweizweiten Solidarität eine Mehrheit einen Wiederaufbau am gleichen Ort ablehnt.
Nur 42 Prozent der Befragten unterstützen den Wiederaufbau von Blatten am ursprünglichen Standort, während 55 Prozent dagegen sind.
Besonders in Städten ist die Zustimmung gering: Nur 30 Prozent der Stadtbewohner befürworten den Wiederaufbau, verglichen mit 51 Prozent auf dem Land.
Nur 24 Prozent glauben an einen vollständigen Wiederaufbau, 29 Prozent plädieren für eine kleinere Lösung, und 36 Prozent erwarten gar keinen Wiederaufbau.
Zwangsumsiedlung als neue Realität?
Die Umfrage offenbart zudem eine deutliche Bereitschaft zu Maßnahmen: 58 Prozent der Befragten befürworten Zwangsumsiedlungen von Bewohnern aus gefährdeten Bergregionen, selbst bei mittelfristigem Risiko für Naturkatastrophen.
Diese Haltung ist in Städten (60 Prozent) stärker ausgeprägt als auf dem Land (54 Prozent).
Noch deutlicher ist die Zustimmung zu Bauverboten in gefährdeten Zonen: 87 Prozent unterstützen solche Maßnahmen, bei Stadtbewohnern sogar 90 Prozent.
Der Klimawandel wird von 69 Prozent der Befragten mit den zunehmenden Naturgefahren in Verbindung gebracht, bei Grünen-Wählern sind es 94 Prozent, bei SVP-Wählern 46 Prozent.
Herausforderungen und Kosten
Die Skepsis der Bevölkerung spiegelt die enormen Herausforderungen wider. Experten schätzen, daß der ursprüngliche Standort von Blatten auf Jahrzehnte unbewohnbar bleibt.
Der Schweizerische Versicherungsverband beziffert die versicherten Schäden auf rund 320 Millionen Franken, zusätzlich wären teure Schutzdämme nötig, deren Wirksamkeit gegen künftige Gletscherabbrüche fraglich ist.
Kritiker argumentieren, daß die Summen sinnvoller in sichere Siedlungsgebiete oder Präventionsmaßnahmen investiert werden sollten.
Der Klimawandel, der durch schmelzenden Permafrost und instabile Hänge solche Katastrophen wahrscheinlicher macht, verstärkt diese Bedenken.
Zwischen Tradition und Realität
Trotz der Pläne für ein neues Blatten steht die Schweiz vor einem Dilemma: Einerseits prägt das alpine Selbstbild die nationale Identität, andererseits wird die Sicherheit in gefährdeten Regionen zunehmend hinterfragt.
Die Erfahrung von Gondo, wo nach einem Erdrutsch 2000 viele Bewohner nicht zurückkehrten, zeigt, dass Wiederaufbau nicht immer die Gemeinschaft rettet. Während die Walliser Regierung und die Bevölkerung von Blatten Hoffnung auf einen Neuanfang setzen, deutet die Umfrage auf einen Wandel hin: Sicherheit und Prävention könnten künftig Vorrang vor der traditionellen Bindung an gefährdete Bergdörfer haben.
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(pd, rm)
(Foto: Kt. VS)


