
Tödlicher Segelflugzeugabsturz in NiedergestelnKontrollverlust als Hauptursache
Ein tragischer Segelflugzeugabsturz ereignete sich am 23. August 2024 in der Niedergesteln (Walliser Zeitung berichtete) der gemäß dem kürzlich veröffentlichten Abschlußbericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) auf einen Kontrollverlust zurückzuführen ist. Auf der Unfallstelle wurde festgestellt, daß der Pilot B, der auf dem hinteren Sitz saß, den Wölbklappenhebel umfaßte.
Der Bericht, der nun am 1. September 2025 veröffentlicht wurde, liefert detaillierte Einblicke in die Umstände des Vorfalls und identifiziert die Hauptursachen sowie beitragende Faktoren.
Das Unglück forderte das Leben beider an Bord befindlichen Piloten, die im Alter von 73 und 46 Jahren standen.
Die Untersuchung hebt hervor, daß es keine Hinweise auf technische Defekte am Flugzeug gab, wodurch der Fokus auf menschliche und operationelle Aspekte sowie auf äußere Bedingungen gelegt wurde.

Ursachen des Absturzes: Kontrollverlust und aerodynamische Probleme
Die zentrale Ursache des Absturzes wird als Kontrollverlust beschrieben, der durch das Überschreiten des kritischen Anstellwinkels entstand. Der Anstellwinkel bezeichnet den Winkel, unter dem die Flügel des Flugzeugs zur einströmenden Luft stehen.
Wenn dieser Winkel ein bestimmtes Maß übersteigt, kommt es zu einem sogenannten Strömungsabriß, bei dem die Luftströmung über dem Flügel zusammenbricht und das Flugzeug an Auftrieb verliert.
In diesem Fall führte dieser Strömungsabriss dazu, dass die Piloten die Kontrolle über die Maschine verloren und eine Kollision mit dem Gelände unvermeidlich wurde.
Der Bericht deutet zudem an, dasßdie Schwerpunktlage des Segelflugzeugs, die sich möglicherweise im hinteren zulässigen Bereich befand, das Abkippverhalten der Maschine verschärft haben könnte, insbesondere während des Kurvenflugs. Dieses Ungleichgewicht könnte die Stabilität des Flugzeugs beeinträchtigt und somit zum dramatischen Verlauf beigetragen haben.

Flugroute und Planung: Ein ambitioniertes Vorhaben
Das betroffene Segelflugzeug, ein Modell der Arcus-M mit der Kennung OE-9485, startete am Morgen des 23. August 2024 vom Flugplatz Birrfeld im Kanton Aargau. Die Piloten hatten einen zweitägigen Wandersegelflug geplant, der sie über den Alpenhauptkamm nach Grenoble in Frankreich und anschließend zurück nach Langenthal führen sollte. Der Flugplan sah vor, die schweizerisch-französische Grenze etwa zwei Stunden nach dem Start zu überqueren. Die Sust stellt fest, dass die meteorologischen Bedingungen, insbesondere die Thermikprognosen, für diesen Flug nicht optimal waren. Trotz dieser widrigen Voraussagen deutet der Flugplan darauf hin, dass die Piloten entschlossen waren, ihr Ziel konsequent zu verfolgen, ohne frühzeitig auf alternative Pläne zurückzugreifen. Diese Entschlossenheit könnte die Entscheidungsfindung während des Fluges beeinflusst haben.
Flugverlauf und kritische Phase
Nach dem Start um 13:28 Uhr Ortszeit flogen die Piloten zunächst in südlicher Richtung, vorbei an Hallwilersee und Sempachersee, und steuerten über Interlaken und Kandersteg den Gemmipass an.
Der Motor des eigenstartfähigen Segelflugzeugs wurde viermal über insgesamt 46 Minuten betrieben, zuletzt südwestlich des Balmhorns auf einer Höhe von 2.991 Metern, wo er um 14:58 Uhr abgestellt wurde.
Im Anschluß folgte eine Gleitflugphase entlang der Südhänge des Rhonetals, die sie zunächst in westlicher Richtung bis zur Bella Lui, nördlich von Crans-Montana, und dann in östlicher Richtung bis zum Chistehorn führte, wo sie eine Höhe von 2.084 Metern erreichten.
In dieser Region führten sie über etwa 12 Minuten Achterschleifen durch, wobei sie die Kurven stets so steuerten, daß sie sich vom Hang wegdrehten – eine gängige Praxis im Gebirgssegelflug zur Vermeidung von Kollisionen.
Die kritische Phase begann jedoch, als das Flugzeug auf einer Höhe von 2.355 Metern um 15:52:58 Uhr eine Rechtskurve nicht vollendete. Ein Augenzeuge, der sich auf der gegenüberliegenden Seite des Rhonetals befand, berichtete der Sust, daß das Flugzeug „wie in einer Rolle fast senkrecht nach unten gestürzt und mit der Rumpfnase voran auf dem Boden aufgeprallt“ sei.
Die Analyse der Flugdaten zeigt, dass die Fluggeschwindigkeit innerhalb von 15 Sekunden um etwa 25 km/h sank, während nur ein geringer Höhenanstieg von 10 Metern verzeichnet wurde. Dies deutet darauf hin, dass die Piloten möglicherweise durch Ziehen am Höhensteuer den Anstellwinkel erhöht haben, was in einer sinkenden Luftmasse zu einem Strömungsabriss führte.
Die Maschine drehte daraufhin unkontrolliert gegen den steil ansteigenden Hang und prallte auf einer Höhe von etwa 2.126 Metern auf.
Erfahrung der Piloten und Sicherheitsaspekte
Die beiden Piloten brachten unterschiedliche Erfahrungslevel mit. Der 46-jährige Pilot A, seit 30 Jahren im Besitz einer Segelfluglizenz, verfügte über rund 1.380 Flugstunden, hatte jedoch in den letzten fünf Jahren nur etwa 120 Stunden geflogen, womit sein aktuelles Trainingsniveau als gering einzustufen ist. Seine Erfahrung mit der Arcus-M belief sich auf lediglich drei Flüge mit einer Gesamtflugzeit von 6 Stunden und 10 Minuten. Der 73-jährige Pilot B, der seine Lizenz erst 2017 erwarb, brachte rund 440 Flugstunden mit, davon etwa die Hälfte auf einem leichter zu steuernden Modell. Seine Einweisung auf die Arcus-M erfolgte 2022 in Namibia, wo er hauptsächlich Geradeausflüge absolvierte; seine Erfahrung im anspruchsvollen Gebirgssegelflug war daher begrenzt.
Die Sust bemängelt zudem, dass viele Segelflugzeuge, einschließlich der Arcus-M, nicht serienmäßig mit Überziehwarngeräten ausgestattet sind, die Piloten vor einem Strömungsabriss warnen könnten. Dieses Sicherheitsdefizit wurde bereits 2008 angesprochen, jedoch nicht umgesetzt. Die geringe Gebirgserfahrung der Piloten in Kombination mit der fehlenden Warntechnologie wird als wesentlicher Risikofaktor hervorgehoben.
Rettungseinsatz und Auswirkungen
Der Augenzeuge alarmierte unverzüglich die Rega, doch trotz des schnellen Einsatzes konnten die Rettungskräfte nur noch den Tod der beiden Piloten feststellen. Die Kantonspolizei Wallis bestätigte, dass beide Insassen – ein 73-jähriger und ein 46-jähriger Schweizer – den Aufprall nicht überlebten. Das Flugzeug wurde vollständig zerstört, ohne dass ein Feuer ausbrach. Der automatische Notsender wurde beim Aufprall aktiviert und half, die Unfallstelle schnell zu lokalisieren.
Meteorologische Bedingungen
Die Wetterlage am Unfalltag war geprägt von einer flachen Druckverteilung mit warmer Luft aus Südwesten. Auf einer Höhe von etwa 2.200 Metern herrschten gemäß den Messungen von MeteoSchweiz Temperaturen von 16 °C bei gutem Sichtvermögen (30–40 km) und einem Westwind von 10 bis 20 Knoten. Die Thermik wurde als schwach bis mäßig eingestuft, mit vereinzelten kleinen Cumuli und leichten Vertikalwindböen, was den Segelflug erschwerte. Für die Nacht auf den 25. August 2024 wurden Schauer und Gewitter vorausgesagt, was die Planung eines zweitägigen Fluges zusätzlich komplizierte.
Schlußfolgerungen und Sicherheitsempfehlungen
Die Sust schließt, dass der Absturz durch einen unvermeidbaren Kontrollverlust nach einem Strömungsabriss verursacht wurde, wobei die Schwerpunktlage als beitragender Faktor genannt wird. Um zukünftige Unfälle zu verhindern, wird die Einführung von Überziehwarngeräten in Segelflugzeugen erneut empfohlen (Sicherheitsempfehlung Nr. 409) und eine Sensibilisierung der Segelflug-Community, insbesondere im Hangflug, gefordert (Sicherheitsempfehlung Nr. 557). Diese Maßnahmen sollen das Risiko von Kontrollverlusten reduzieren und die Sicherheit im Segelflug nachhaltig verbessern.
Ausführlicher SUST-Bericht:
Vorgeschichte und Flugverlauf
Allgemeines
Beim Flug des eigenstartfähigen Segelflugzeuges des Typs Arcus M, eingetragen als OE-9485, handelte es sich um einen Wandersegelflug ab dem Flugplatz Birrfeld (LSZF) über den Alpenhauptkamm bis nach Grenoble in Frankreich und zurück nach Langenthal (LSPL). Da hierbei die Landesgrenze überflogen werden sollte, wurde ein Flugplan aufgegeben. Die Landesgrenze sollte rund zwei Stunden nach dem Start überflogen werden. Da spätestens in der Nacht auf den 25. August 2024 Schauer und Gewitter aus Westen vorausgesagt waren, waren zwei Tage für das Vorhaben geplant.
Vorgeschichte
Nebst dem Piloten auf dem vorderen Sitz (im Folgenden Pilot A genannt) befand sich ein weiterer Pilot auf dem hinteren Sitz (im Folgenden Pilot B genannt), der ebenfalls im Besitz einer Segelflugpilotenlizenz war.
Pilot A war seit rund 30 Jahren Segelflugpilot und hatte früher im In- und Ausland an Segelflugmeisterschaften teilgenommen. Während der letzten fünf Jahre absolvierte er insgesamt rund 120 Segelflugstunden. Auf dem Unfallmuster waren es insgesamt drei Flüge mit einer Gesamtflugzeit von 6:10 h, wovon der erste am 26. April 2024 absolviert wurde.
Pilot B begann die Ausbildung zum Segelflugpiloten im Jahr 2017 nach einer fliegerischen Berufslaufbahn in der Zivil- und Militäraviatik. Mehr als die Hälfte seiner segelfliegerischen Gesamtflugerfahrung von 441 h absolvierte er auf einem Luftfahrzeug des Typs Ecolight, einer Pipistrel Taurus 503. Die Einweisung auf das Unfallmuster erfolgte am 18. November 2022 auf einem Flugplatz in der namibischen Kalahari, wo er insgesamt 12 Flüge mit einer Gesamtflugzeit von 22:19 h absolvierte.
Die OE-9485 wurde für den Wandersegelflug durch die Besatzung von einer Drittperson gemietet. Bei der Vorbereitung des eigenstartfähigen Segelflugzeuges wurden gemäss dem Vermieter 40 Liter Treibstoff getankt und weder Wasserballast in die Flügeltanks noch in die Seitenflosse gefüllt. Am Flugzeug waren an der Seitenflosse die Wasserstands-Bohrungen bis und mit 3 Liter abgeklebt.
Flugverlauf
Um 13:28 Uhr starteten die beiden Piloten mit dem Segelflugzeug Arcus-M, eingetragen als OE-9485, im Eigenstart auf der Piste 26 des Flugplatzes Birrfeld (LSZF). Sie flogen in Richtung Süd via Hallwilersee, Sempachersee, westlich an Luzern vorbei via Interlaken, Kandersteg zum Gemmipass. Der Motor wurde 4-mal während insgesamt 46 Minuten betrieben. Er wurde südwestlich des Balmhorns auf einer Flughöhe von 2991 m/M um 14:58:23 Uhr letztmals abgestellt.
Beim anschliessenden Gleitflug flog das Segelflugzeug während knapp 53 Minuten den Südhängen des Rhonetals entlang. Zuerst flog es in westlicher Richtung bis zur Bella Lui, nördlich Crans Montana, und danach in östlicher Richtung bis zum Chistehorn, wo es auf 2084 m/M ankam. Dort wurden während knapp 12 Minuten Achten geflogen, bei denen die Halbkreise beim Wenden immer in Drehrichtung vom Hang wegführten. Auf einer Höhe von 2355 m/M, um 15:52:58 Uhr, wurde die Rechtskurve nach dem vollendeten Halbkreis nicht beendet. Ein Beobachter schilderte, «wie es in einer Rolle, fast senkrecht nach unten gestürzt und mit der Rumpfnase voran auf dem Boden aufgeprallt» sei. Er alarmierte unverzüglich die Rega.
Beide Piloten erlitten beim Aufprall auf dem Boden tödliche Verletzungen.
Der automatische Notsender wurde beim Aufprall aktiviert und sein Signal um 15:54:07 erstmals registriert.
Das Segelflugzeug wurde beim Unfall zerstört; es brach kein Feuer aus. Auf der Unfallstelle wurde festgestellt, daß der Pilot B, der auf dem hinteren Sitz saß, den Wölbklappenhebel umfaßte.
Angaben zum Luftfahrzeug
Allgemeine Angaben
Eintragungszeichen OE-9485
Luftfahrzeugmuster Arcus M
Charakteristik Doppelsitziger, eigenstartfähiger Hochleistungs-motorsegler in Faserverbundbauweise mit Wölbklappen und T-Leitwerk
Hersteller Schempp-Hirth Flugzeugbau GmbH, 73230 Kirchheim unter Teck, Deutschland
Halter Privat
Eigentümer Privat
Höchstzulässige Masse ohne Wasserballast 785 kg
Masse und Schwerpunkt Die Masse beim Start befand sich leicht unterhalb der höchstzulässigen Abflugmasse und die Schwerpunktlage befand sich innerhalb der gemäss Luftfahrzeugflughandbuch (Aircraft Flight Manual – AFM) zulässigen Grenzen, ungeachtet der Füllmenge des Seitenflossentanks von nicht mehr als 10 Litern.
Unterhalt Die letzte geplante Unterhaltsarbeit fand am 11. März 2024 bei 2932 Stunden statt.
Lufttüchtigkeits-Folgezeugnis Datum der Ausstellung: 11. März 2024
Datum des Ablaufs der Gültigkeit: 7. April 2025
Technische Einschränkungen Im Flugreisebuch waren keine offenen Punkte eingetragen.
Zuladung von Wasserballast in der Seitenflosse
Im AFM wird zur Zuladung von Wasserballast in der Seitenflosse unter anderem festgehalten, dass Piloten, die mit rückwärtiger Flugmassen-Schwerpunktlage fliegen wollen, den kopflastigen Anteil infolge Zuladung auf dem hinteren Sitz ausgleichen können. Die Füllmenge wird vor dem Füllen durch Abkleben von Wasserstands-Bohrung in der Seitenflosse definiert. Die an der Unfallstelle abgeklebten Wasserstands-Bohrungen bis und mit 3 Liter entsprechen einer Füllmenge von 4 Litern.
Überziehgeschwindigkeiten
Gemäss Kapitel 5.2.2 des AFM wurden vom Hersteller bei eingefahrenen Bremsklappen für eine Flugmasse von rund 800 kg bei einer Schwerpunktlage von 290 mm folgende angezeigten Überziehgeschwindigkeiten (stall speed – vS) aus dem Geradeausflug bestimmt:
Wölbklappenstellung «+2» vS = 69 km/h
Wölbklappenstellung «S[4]» vS = 80 km/h
Zudem wird festgehalten, dass der Höhenverlust vom Abkippen bis zur Wiederherstellung der Normalfluglage bis zu 60 m beträgt und die Fahrtanzeige nahe der Überziehgeschwindigkeit, vor allem bei hinterer Schwerpunktlage, deutlich oszilliert.
Angaben zu Notverfahren im AFM
Zu Notverfahren wurde im AFM unter anderem Folgendes festgehalten: «Das Ausleiten aus dem Trudeln mit positiven Wölbklappenstellungen kann durch das Umwölben in negative Wölbklappenstellungen beschleunigt werden.»
Flugdatenaufzeichnung
Es konnten sowohl die Datenaufzeichnungen aus dem im vorderen Instrumentenpanel installierten Flugdatenrechner vom Typ LX9000 als auch diejenigen aus dem Kollisionswarnsystem PowerFlarm Core ausgelesen werden. Die Daten zeigten eine sehr gute Übereinstimmung.

Flugdatenrechner um 15:53:12 Uhr (dunkelblau) sowie die Verlängerung bis zur Unfall-
stelle (rot) dargestellt in Google Earth.
Neben der Flugwegaufzeichnung wurden im Flugdatenrechner viele weitere Daten registriert, darunter die wahre Fluggeschwindigkeit (True Air Speed – TAS). Basierend auf diesen Daten wurde mittels einer statistischen Methode die Windstärke und -richtung zwischen 15:41:10 und 15:53:03 Uhr ermittelt. Die Windrichtung ist in Abbildung 2 als Windvektor (hellblau) dargestellt, die numerischen Werte sind in Kapitel 1.5.2 aufgeführt.
Auf Basis der ebenfalls registrierten Umgebungstemperatur sowie des Luftdrucks wurde die angezeigte Geschwindigkeit (Indicated Air Speed – IAS) aus der TAS berechnet. In Abbildung 3 sind der Verlauf der GPS-Höhe und der IAS kurz vor dem Aufprall dargestellt. Als plausibler Zeitpunkt des Aufpralls wurde 15:53:17 Uhr ermittelt.

berechnete IAS (blau) während gut einer Minute vor dem Aufprall. Die senkrechte gestri-
chelte Linie um 15:53:17 Uhr zeigt den angenommenen Zeitpunkt des Aufpralls mit der
Höhenangabe des Unfallortes.
Die Höhe über Grund (Above Ground Level – AGL) variierte während gut einer Minute vor dem letzten Datenpunkt in einem Höhenband zwischen rund 115 bis 415 m. Beim letzten registrierten Datenpunkt um 15:53:12 Uhr lag sie knapp über 200 m, wobei der Flugvektor in Richtung des steil ansteigenden Geländes zeigte.
Um 15:53:07 Uhr wurde der letzte Datenpunkt im Kollisionswarnsystem PowerFlarm Core registriert; die GPS-Höhe betrug 2333 m/M.
Die im PowerFlarm Core und im Flugdatenrechner LX9000 registrierten Flugwege wurden ab 15:52:39 Uhr in einem kartesischen Koordinatensystem dargestellt. Zur Darstellung des Kreisfluges vor dem Aufprall in der Luftströmung wurden die Datenpunkte vom Zeitpunkt des Aufpralls ausgehend zurück bis 15:52:39 Uhr mit dem Windvektor verschoben.

Medizinische und pathologische Feststellungen
Bei den beiden Piloten wurden bis zum Unfall regelmässig flugmedizinische Tauglichkeitsuntersuchungen durchgeführt und es wurde ihnen ein entsprechendes Tauglichkeitszeugnis ausgestellt. Bei diesen Untersuchungen wurden keine vorbestehenden Erkrankungen festgehalten, die einen Einfluss auf das Unfallgeschehen hätten haben können.
Gemäss den Autopsieberichten starben beide Piloten aufgrund der schweren, beim Aufprall am Boden erlittenen Verletzungen (Polytrauma); der Tod trat sofort ein.
Die Resultate der forensisch-toxikologischen Untersuchungen ergaben, dass beide Piloten zum Unfallzeitpunkt alkoholnüchtern waren und nicht unter dem Einfluss von toxischen körperfremden (exogenen) oder körpereigenen (endogenen) Substanzen standen.
Meteorologische Angaben
Allgemeine Wetterlage
Flache Druckverteilung mit Zufuhr wärmerer Luft in der Höhe aus Südwesten.
Wetter zum Zeitpunkt und am Ort des Unfalls
Die folgenden Angaben zum Wetter zur Zeit und am Ort des Unfalls (angenommene Flughöhe 2200 m/M) basieren auf Messungen an umliegenden Wetterstationen, Modellrechnungen und Webcam-Aufnahmen.
Wetter/Wolken Grösstenteils Blauthermik; einzelne kleine Cumuli (<< 1/8) mit Basis zwischen 3200 und 4200 m/M
Sicht 30 bis 40 km
Wind 10 bis 20 kt aus West; 10±5 kt aus 260±20 Grad; Vertikalwindböen in der aktiven Thermik; Fallwinde im Lee von Kreten und Geländekanten
Temperatur / Taupunkt Auf 2200 m/M 16 °C / -1 °C
Luftdruck QNH Sion (LSGS): 1014 hPa
Gefahren Keine
Astronomische Angaben
Sonnenstand Azimut: 231° Höhe: 44°
Beleuchtungsverhältnisse Tag
Segelflugwetterprognose
Gemäss Segelflugwetterprognose von MeteoSchweiz, ausgegeben am 23. August 2024 um 05:30 Uhr, wurde die Thermik um 14 Uhr wie folgt vorausgesagt:
• «mäßig» für das Mittelland und die westlichen Alpen mit 0/8 Bewölkungsgrad in allen Höhenlagen,
• «schwach» für den Jura und die östlichen Alpen mit demselben Bewölkungsgrad und
• «keine» für das Tessin ebenso mit demselben Bewölkungsgrad.
Bei den Ergänzungen zur Thermikprognose wurde unter anderem vermerkt, dass auf der Alpensüdseite mit mehr Wolken kaum Thermik zu erwarten sei.
Für die Abendstunden des 24. August 2024, insbesondere für die Nacht auf den 25. August 2024, wurden aus Westen Schauer und Gewitter vorausgesagt.
Webkamera-Aufnahmen

Streckenflüge im Oberwallis
Mehrere Schweizer Segelflugpiloten dokumentierten auf der Internetplattform WeGlide ihre Streckenflüge, bei denen sie am 23. August 2024 den Südhängen des Oberwallis entlang flogen, bis sie in die Gegend nördlich von Raron zwischen 12:30 und 13:30 Uhr umkehrten.
Beim Umkehren erreichten sie meist Höhen über 3000 m/M.
Analyse
Technische Aspekte
Es liegen keine Anhaltspunkte für vorbestehende technische Mängel vor, die den Unfall hätten beeinflussen können.
Der Vermieter der OE-9485 gab an, dass der Seitenflossentank bei der Flugvorbereitung nicht befüllt worden sei. An der Unfallstelle waren die untersten Wasserstands-Bohrungen des Seitenflossentanks entsprechend einer Füllmenge von 4 Litern abgeklebt. Die hinterste zulässige Schwerpunktlage wäre bei einer Füllmenge von 10 Litern im Seitenflossentank erreicht worden. Bei 4 Litern wäre sie bei gut 20 % und ohne Wasserballast wäre sie rund 25 % vor der hintersten zulässigen Schwerpunktlage gelegen.
Menschliche und betriebliche Aspekte
Fliegerischer Hintergrund, Segelflugerfahrung und Rollenteilung
Pilot A erlangte seine Pilotenlizenz für Segelflugzeuge im April 1996. Bis zum Zeitpunkt des Unfalls verfügte er über eine Gesamtflugerfahrung auf Segelflugzeugen und Reisemotorseglern von rund 1380 Stunden, wobei er im Durchschnitt weniger als 50 Flugstunden pro Jahr geflogen war, was für einen ehemaligen Wettbewerbspiloten eher ungewöhnlich ist. Während der letzten fünf Jahre vor dem Unfall waren es jährlich nur 22 ½ Stunden. Er verfügte somit über einen eher geringen allgemeinen Trainingsstand. Für Einweisungen auf andere Segelflugmuster verlangen Schweizer Segelfluggruppen und ihre Flugschulen in der Regel mindestens drei Flüge; für anspruchsvolle Segelflugzeuge wie die Arcus M sind es sogar mehr. Mit drei Flügen von 6:10 h verfügte der Pilot somit über eine sehr geringe Flugerfahrung auf der Arcus M.
Pilot B erlangte seine Pilotenlizenz für Segelflugzeuge im Alter von 66 Jahren nach einer fliegerischen Berufslaufbahn in der Zivil- und Militäraviatik. Rund die Hälfte seiner segelfliegerischen Gesamtflugerfahrung erlangte er danach auf einer Taurus 503, die mit einer Flügelspannweite von 15 m und einer maximalen Abflugmasse von 472.5 kg agiler zu steuern ist als das Unfallmuster. Nach der Einweisung auf die Arcus M im November 2022 in Namibia erlangte er dort rund die Hälfte seiner Flugerfahrung auf dem Unfallmuster. In Namibia werden im überwiegend flachen Gelände oft grosse Streckenflüge im Geradeausflug geflogen. Seine Erfahrung im Gebirgssegelflug, insbesondere im geländenahen Hangflug, war somit gering.
Wenn wie im vorliegenden Fall zwei Segelflugpiloten mit unterschiedlichem fliegerischem Hintergrund und unterschiedlicher Segelflugerfahrung zusammen fliegen, kann eine Arbeitsteilung wertvoll sein und sich positiv auf die Flugsicherheit auswirken. Allerdings ist es zielführend, wenn hierfür die Regeln für Entscheidungsfindungen und Interventionen vor dem Flug klar definiert und von beiden akzeptiert werden. Dies war das Schwerpunktthema am Flight Safety Workshop des Segelflugverbands der Schweiz vom 28. Januar 2017. Inwiefern sich die verunfallten Segelflugpiloten abgesprochen haben, muss offenbleiben.
Flugverlauf
Die beiden Piloten starteten am 23. August 2024 um 13:28 Uhr mit der Arcus M auf dem Flugplatz Birrfeld mit der Absicht, in Richtung Südfrankreich und tags darauf zurück nach Langenthal zu fliegen. Gemäss Flugplan wollten sie zwei Stunden nach dem Start die Landesgrenze nach Frankreich überfliegen, obwohl die Thermikprognosen für ihr Vorhaben nicht optimal waren. Dies und ihr Flugweg bis zum Balmhorn mit vier Motorflugsteigphasen auf eine Flughöhe von nahezu 3000 m/M, lassen den Schluss zu, dass die beiden Piloten ihr Vorhaben nicht frühzeitig aufgeben wollten. Nach einer Gleitflugphase den Südhängen des Rhonetals entlang, bei der sie rund 900 Höhenmeter verloren hatten, versuchten sie knapp 5 km nordwestlich des Flugplatzes Raron auf einer mittleren Flughöhe von rund 2240 m/M im Hangflug Höhe zu gewinnen. Der Flugplatz Raron war für eine sichere Landung jederzeit problemlos im Gleitflug erreichbar, was zeigt, dass sie ihren Segelflug auch nach einer Flugdauer von rund 2 ½ Stunden fortsetzen wollten.
Beim Hangflug wurden während knapp 12 Minuten Achterschleifen geflogen, bei denen die Drehrichtung der Halbkreise beim Wenden immer vom Hang wegführte. Dies entspricht den Gepflogenheiten und der Vernunft, wie sie in der Broschüre «Sicherheit beim Gebirgssegelflug» als einer zahlreicher Merkpunkte enthalten ist: «Niemals gegen den Hang eindrehen, sondern immer Richtung Tal, luvseitig vom Hang weg.».
Als das Segelflugzeug bei der Wende vor dem Unfall vom Hang wegdrehte, sank die IAS bis zur Position um 15:53:03 Uhr innert 15 Sekunden um rund 25 km/h, bei einem geringen Höhengewinn von 10 m. Die Kombination dieser Parameter muss durch Ziehen am Höhensteuer in einer sinkenden Luftmasse zu Stande gekommen sein und eine Zunahme des Anstellwinkels zur Folge gehabt haben.
Bei der Position um 15:53:03 Uhr flog das Segelflugzeug mit einer IAS von 89 km/h. Für einen sicheren Weiterflug hätte an dieser Stelle die Fluggeschwindigkeit durch zügiges Nachlassen des Höhensteuers erhöht, respektive der Anstellwinkel verringert und eine weitere Achterschleife eingeleitet werden müssen. Das Segelflugzeug drehte hingegen während 9 Sekunden weiter gegen den Hang ein und sank dabei gegenüber dem steil ansteigenden Gelände mit rund 23 m/s bis auf eine Höhe über Grund von knapp über 200 m.
Die markante Abnahme der Fluggeschwindigkeit und die gleichzeitige Abnahme der Flughöhe vor der Position um 15:53:07 Uhr lassen sich nur durch einen Strömungsabriss erklären. In Folge dieses Strömungsabrisses liess sich die Drehbewegung nach rechts mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht mehr durch Steuereingaben am Querruder beenden. Dies hatte zur Folge, dass das Segelflugzeug unkontrolliert gegen den steil ansteigenden Hang weiterdrehte.
Ein Strömungsabriß entsteht durch überschreiten des kritischen Anstellwinkels. Die Zusammenhänge wurden im Schlussbericht über den Unfall des Verkehrsflugzeuges Junkers Ju 52/3m g4e, HB-HOT vom 4. August 2018 ausführlich beschrieben und im dazugehörigen Erklärvideo einfach und verständlich visualisiert.
Zudem wird die Gefahr des Fliegens nahe der physikalischen Grenze, die durch die IAS und die Normalbeschleunigung, welche durch Kurvenflug, Steuereingaben sowie lokalen Windströmungen beeinflusst wird, oft nicht erkannt.
Durch eine geringe Abnahme der IAS oder eine Zunahme der Normalbeschleunigung kann diese Grenze überschritten werden. Da die Stellung der Wölbklappen im vorliegenden Fall nicht ermittelt werden konnte, ließ sich die maßgebende Grenzlinie nicht bestimmen.

menhang zwischen der angezeigten Geschwindigkeit (Indicated Air Speed – IAS) und der
jeweils zulässigen Normalbeschleunigung (n) für eine Arcus M mit einer Flugmasse von
rund 800 kg bei einer Schwerpunktlage von 290 mm. Die Begrenzung und der zulässige
Bereich für die Wölbklappenstellung «+2» sind rot eingezeichnet, überdeckt durch den
blauen Bereich mit der blauen Begrenzung für die Wölbklappenstellung «S». Die Kurven
wurden auf Basis der beiden Überziehgeschwindigkeiten 69 und 80 km/h (vgl. Kapitel
1.2.2) berechnet, die gemäss AFM für den Geradeausflug erhoben wurden. Für die Daten-
punkte zwischen 15:52:48 und 15:53:07 Uhr wurden die Normalbeschleunigungen mit dem
in Abbildung 4 ermittelten Kurvenradius berechnet.
Die Schilderung des Beobachters, wonach das Segelflugzeug wie in einer Rolle fast senkrecht nach unten gestürzt und mit der Rumpfnase voran auf dem Boden aufgeprallt sei, deutet auf eine Steilspirale hin. Aufgrund der grossen Distanz des Beobachters zum Unfallgeschehen kann auch ein Trudeln nicht ausgeschlossen werden. Die Hand von Pilot B am Wölbklappenhebel könnte darauf hindeuten, dass er versuchte, das Ausleiten aus dem Trudeln durch Umwölben in eine negative Wölbklappenstellung zu beschleunigen, wie es gemäss AFM in Kapitel 1.2.4 Angaben zu Notverfahren, beschrieben ist. Der eine oder andere Flugzustand muss nach einem Strömungsabriss entstanden sein und konnte wegen der geringen Höhe über Grund vor dem Aufprall nicht mehr beendet werden.
Eine Schwerpunktlage im hinteren zulässigen Bereich führt zu einem akzentuierten Abkippverhalten, insbesondere im Kurvenflug, weshalb dieser Umstand vorliegend möglicherweise zum Unfallhergang beitrug.
Überziehwarnung in Segelflugzeugen
Unfälle mit Segelflugzeugen infolge eines Kontrollverlusts im Flug (Loss of Control in Flight – LOC-I) ereignen sich leider immer wieder. Die SUST untersuchte während der letzten 17 Jahre 20 Unfälle dieser Art, bei denen insgesamt 15 Personen tödliche Verletzungen erlitten.
Segelflugzeuge sind – im Gegensatz zu Motorflugzeugen – nur mit wenigen Ausnahmen mit einem Überziehwarngerät ausgerüstet, das Piloten eine Warnung abgibt, bevor die Strömung am Flügelprofil abreisst. Aus diesem Grund wurde im Schlussbericht Nr. 2036 über den Unfall des Segelflugzeuges HB-3309 vom 4. Juli 2008 die Sicherheitsempfehlung 409 mit dem Ziel ausgesprochen, die Hersteller von Segelflugzeugen zum Einbau von Überziehwarngeräten zu verpflichten. Zu dieser Sicherheitsempfehlung nahm der Civil Aviation Safety Officer (CASO) am 15. Februar 2010 wie folgt Stellung: «No proven devices for sailplane are available on the market so that the definition of a requirement to mandate the introduction of an artificial stall warning system would not be effective.» Allerdings gab es schon damals Überziehwarngeräte für Segelflugzeuge, die den Anstellwinkel (Angle of Attack – AoA) als Indikator für den überzogenen Flugzustand nutzten. Der Anstellwinkel kann durch Messung des Druckunterschieds zwischen zwei Druckentnahmen mit unterschiedlichen Anströmwinkeln in der Rumpfspitze genügend genau bestimmt werden, um Piloten vor dem Erreichen des kritischen Anstellwinkels akustisch zu warnen. Auf Basis dieses Funktionsprinzips sind in den eigenstartfähigen Segelflugzeugen DG-808B, DG-808C und DG-1001M Überziehwarngeräte standardmässig eingebaut, die sich bewährt haben.
In seiner Stellungnahme stellte der CASO zudem in Aussicht, dass: «FOCA will observe in the future if some development of stall warning device are successful (e.g by participation to the OSTIV Sailplane Development Panel).» Bereits heutzutage wird der Anstellwinkel in modernen Segelflugrechnern anhand mehrerer mittels Sensoren erfasster Flugparameter berechnet und angezeigt. Eine automatisch generierte Überziehwarnung auf Basis des berechneten Anstellwinkels wurde allerdings bis zum Abschluss dieser Untersuchung nicht realisiert.
Angesichts der zahlreichen tödlich verletzten Personen und des grossen Sachschadens in der Vergangenheit ist es nicht nachvollziehbar, weshalb Hersteller von Segelflugzeugen nicht aus eigenem Antrieb Überziehwarnungen einbauen, Versicherungen keine Anreize für deren Einbau anbieten und die seit Juli 2009 publizierte Sicherheitsempfehlung von den Behörden letztlich nicht umgesetzt wurde. Die SUST nimmt daher den vorliegend untersuchten Unfall zum Anlass, die Sicherheitsempfehlung (SE) Nr. 409 in Erinnerung zu rufen.
Schlußfolgerungen
Befunde
Technische Aspekte
• Das Flugzeug war zum Verkehr nach Sichtflugregeln (Visual Flight Rules – VFR) zugelassen.
• Sowohl Masse als auch Schwerpunkt des Flugzeuges befanden sich zum Unfallzeitpunkt innerhalb der gemäss Luftfahrzeughandbuch (Aircraft Flight Manual – AFM) zulässigen Grenzen; die Schwerpunktlage lag im mittleren bis hinteren zulässigen Bereich gemäss Flughandbuch.
• Die Untersuchung ergab keine Anhaltspunkte für vorbestehende, technische Mängel, die den Unfall hätten beeinflussen können.
• Die letzte geplante Unterhaltsarbeit fand am 11. März 2024 bei 2932 Stunden statt.
• Die letzte Zustandsprüfung wurde am 11. März 2024 bescheinigt mit einer Gültigkeit bis zum 7. April 2025.
• Der Notsender (Emergency Locator Transmitter – ELT) wurde ausgelöst.
Piloten
• Die beiden Piloten besassen die für den Flug notwendigen Ausweise.
• Es liegen keine Anhaltspunkte für gesundheitliche Beeinträchtigungen der beiden Piloten während des Unfallfluges vor.
• Der Pilot A verfügte über eine Gesamtflugerfahrung auf Segelflugzeugen und Reisemotorseglern von rund 1380 Stunden mit einem geringen allgemeinen Trainingsstand über die letzten fünf Jahre vor dem Unfall; seine Erfahrung auf dem Unfallmuster war sehr gering.
• Der Pilot B verfügte im Segelflug über eine Gesamtflugerfahrung von rund 440 Stunden. Die Hälfte der erflogenen Flugstunden von rund 46 h auf dem Unfallmuster erlangte er in Namibia auf grossen Streckenflügen im Geradeausflug; seine Erfahrung im Gebirgssegelflug, insbesondere im geländenahen Hangflug, war auf dem Unfallmuster gering.
Flugverlauf
• Die beiden Piloten planten einen zweitätigen Wandersegelflug ab dem Flugplatz Birrfeld (LSZF) über den Alpenhauptkamm bis nach Grenoble in Frankreich und zurück.
• Die beiden Piloten starteten mit dem Segelflugzeug Arcus-M, eingetragen als OE-9485, am 23. August 2025 im Eigenstart um 13:28 Uhr auf der Piste 26.
• Nach vier Inbetriebnahmen des Motors über insgesamt 46 Minuten wurde er südwestlich des Balmhorns auf einer Flughöhe von 2991 m/M um 14:58:23 Uhr letztmals abgestellt.
• In den nächsten rund 53 Minuten flog das Segelflugzeug im Gleitflug den Südhängen des Rhonetals entlang, zuerst in westlicher Richtung bis zur Bella Lui, nördlich Crans Montana, und danach in östlicher Richtung bis zum Chistehorn, wo es auf 2084 m/M ankam.
• Während rund 12 Minuten wurden in der Folge Achten geflogen, bei denen die Halbkreise beim Wenden immer in Drehrichtung vom Hang wegführten.
• Auf einer Höhe von 2355 m/M wurde um 15:53 Uhr bei einer weiteren Wende die Rechtskurve nach dem vollendeten Halbkreis nicht ausgeleitet.
• Das Flugzeug drehte infolge eines Strömungsabrisses unkontrolliert gegen den steil ansteigenden Hang weiter und schlug in einer nahezu senkrechten Steilspirale mit der Rumpfnase auf dem Boden auf.
• Beide Piloten wurden beim Aufprall tödlich verletzt; das Flugzeug wurde zerstört.
Rahmenbedingungen
• Für die Strecke entlang des geplanten Segelfuges nach Frankreich herrschte schwache bis mässige Blauthermik mit guter Sicht, bei geringem Westwind und leichten Vertikalwindböen bzw. Fallwinden im Lee von Kreten und Geländekanten.
Ursachen
Eine Sicherheitsuntersuchungsstelle muss sich zum Erreichen ihres Präventionszwecks zu Risiken und Gefahren äussern, die sich im untersuchten Zwischenfall ausgewirkt haben und die künftig vermieden werden sollten. In diesem Sinne sind die nachstehend verwendeten Begriffe und Formulierungen ausschliesslich aus Sicht der Prävention zu verstehen. Die Bestimmung von Ursachen und beitragenden Faktoren bedeutet damit in keiner Weise eine Zuweisung von Schuld oder die Bestimmung von verwaltungsrechtlicher, zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Haftung.
Der Unfall, bei dem das Segelflugzeug aus geringer Höhe über dem Gelände in eine nahezu senkrechte Steilspirale überging, ist auf einen Kontrollverlust infolge Überschreitens des kritischen Anstellwinkels zurückzuführen, bei dem die Kollision mit dem Gelände nicht mehr verhindert werden konnte.
Die möglicherweise im hinteren Bereich liegende Schwerpunktlage trug zur Entstehung des Unfalls bei.
Sicherheitsempfehlungen, Sicherheitshinweise und seit dem Unfall getroffene Maßnahmen
Sicherheitsempfehlungen
Nach internationalen und nationalen Rechtsgrundlagen richten sich alle Sicherheitsempfehlungen an die Aufsichtsbehörde des zuständigen Staates. In der Schweiz ist dies das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) oder die supranationale Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (European Union Aviation Safety Agency – EASA). Die zuständige Aufsichtsbehörde hat darüber zu entscheiden, inwiefern diese Empfehlungen umzusetzen sind. Gleichwohl sind jede Stelle, jeder Betrieb und jede Einzelperson eingeladen, im Sinne der ausgesprochenen Sicherheitsempfehlungen eine Verbesserung der Flugsicherheit anzustreben.
Die SUST veröffentlicht die Antworten des zuständigen Bundesamtes oder von ausländischen Aufsichtsbehörden unter www.sust.admin.ch und ermöglicht so einen Überblick über den aktuellen Stand der Umsetzung der entsprechenden Sicherheitsempfehlung.
Sicherheitsempfehlung Nr. 409 zu Überziehwarnung in Segelflugzeugen
Am Nachmittag des 23. August 2024 starteten zwei Piloten in einem eigenstartfähigen Segelflugzeug vom Typ Arcus-M zu einem zweitätigen Wandersegelflug ab dem Flugplatzes Birrfeld (LSZF) über den Alpenhauptkamm bis nach Grenoble in Frankreich und zurück. Nach einer Flugdauer von über 2 ½ Stunden kam es bei Achterschleifen im Hangflug zum einem Kontrollverlust infolge Überschreitens des kritischen Anstellwinkels, bei dem die Kollision mit dem Gelände nicht mehr verhindert werden konnte; die beiden Piloten wurden tödlich verletzt.
Allein die Anzahl der von der SUST untersuchten Unfälle mit (Motor)Segelflugzeugen, bei denen die Ursache ein Kontrollverlust im Flug (Loss of Control in Flight – LOC-I) war, beläuft sich über die letzten 17 Jahre auf insgesamt 20 Unfälle, wobei 15 Personen tödliche Verletzungen erlitten. Anhand dieser Zahlen lässt sich erkennen, dass das im Schlussbericht Nr. 2036 über den Unfall der HB-3309 vom 4. Juli 2008 aufgegriffene Sicherheitsdefizit an Aktualität nichts eingebüsst hat, weshalb die SUST nachfolgend die zugehörige Sicherheitsempfehlung mit Nachdruck in Erinnerung ruft:
«Sicherheitsempfehlung Nr. 409 – Die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (European Union Aviation Safety Agency – EASA) soll[te] den Segelflugzeugherstellern vorschreiben, dass in den Segelflugzeugen ein Gerät eingebaut wird, das dem Piloten unabhängig von Flughöhe und Wölbklappenstellung eine Warnung abgibt, bevor die Strömung am Flügelprofil abreisst.»
Zeitnahe Sensibilisierung der Segelflug-Community zu Kontrollverlust im Flug
Sicherheitsdefizit
Am Nachmittag des 23. August 2024 starteten zwei Piloten in einem eigenstartfähigen Segelflugzeug vom Typ Arcus-M zu einem zweitätigen Wandersegelflug ab dem Flugplatzes Birrfeld (LSZF) über den Alpenhauptkamm bis nach Grenoble in Frankreich und zurück. Nach einer Flugdauer von über 2 ½ Stunden kam es bei Achterschleifen im Hangflug zum einem Kontrollverlust infolge Überschreitens des kritischen Anstellwinkels, bei dem die Kollision mit dem Gelände nicht mehr verhindert werden konnte; die beiden Piloten wurden tödlich verletzt.
In den letzten 17 Jahren ereigneten sich insgesamt 20 Unfälle mit (Motor)Segelflugzeugen, deren Ursache auf einen Kontrollverlust im Flug (Loss of Control in Flight – LOC-I) zurückzuführen war; dabei erlitten 15 Personen tödliche Verletzungen.
Nebst der technischen Massnahme in Form eines Überziehwarngeräts erachtet die SUST daher eine zeitnahe Sensibilisierung als sinnvoll.
Sicherheitsempfehlung Nr. 557
Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) sollte zusammen mit dem Segelflugverband eine zeitnahe Sensibilisierung der Segelflug-Community in geeigneter Form hinsichtlich des Kontrollverlustes, insbesondere im Hangflug, erwirken.
Sicherheitshinweise
Keine
Seit dem Unfall getroffene Maßnahmen
Keine
Der Abschlußbericht wurde von der Kommission der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle SUST genehmigt (Art. 10 lit. h der Verordnung über die Sicherheitsuntersuchung von Zwischenfällen im Verkehrswesen vom 17. Dezember 2014).
Bern, 19. August 2025 Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle
Flugweg der OE-9485

Allgemeine Hinweise zu diesem Bericht
Der alleinige Zweck der Untersuchung eines Flugunfalls oder eines schweren Vorfalls ist die Verhütung von Unfällen oder schweren Vorfällen.
Es ist ausdrücklich nicht Zweck der Sicherheitsuntersuchung und dieses Berichts, Schuld oder Haftung festzustellen. Wird dieser Bericht zu anderen Zwecken als zur Unfallverhütung verwendet, ist diesem Umstand gebührend Rechnung zu tragen.
Alle Angaben beziehen sich, soweit nicht anders vermerkt, auf den Zeitpunkt des Unfalls. Alle in diesem Bericht erwähnten Zeiten sind, soweit nicht anders vermerkt, in der für das Gebiet der Schweiz gültigen Normalzeit (Local Time – LT) angegeben, die zum Unfallzeitpunkt der mitteleuropäischen Sommerzeit (MESZ) entsprach. Die Beziehung zwischen LT, MESZ und koordinierter Weltzeit (Coordinated Universal Time – UTC) lautet: LT = MESZ = UTC + 2 h.
Zusammenfassung
Luftfahrzeugmuster Arcus M OE-9485
Halter: Privat
Eigentümer: Privat
Pilot A: Schweizer Staatsangehöriger, Jahrgang 1978
Ausweis: Pilotenlizenz für Segelflugzeuge (Sailplane Pilot Licence – SPL) nach der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (European Union Aviation Safety Agency – EASA), erstmals ausgestellt durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) am 25. April 1996
Flugstunden insgesamt 1377:35 h während der letzten 90 Tage 3:25 h auf dem Unfallmuster 6:10 h während der letzten 90 Tage 0:00 h
Pilot B: Schweizer Staatsangehöriger, Jahrgang 1952
Ausweis :Pilotenlizenz für Segelflugzeuge (Sailplane Pilot Licence – SPL) nach EASA, erstmals ausgestellt durch das BAZL am 3. Juni 2018
Flugstunden insgesamt 441:00 h während der letzten 90 Tage 3:25 h auf dem Unfallmuster 46:16 h während der letzten 90 Tage 0:00 h
Ort Rund 1 km südöstlich des Chistehorn
Koordinaten 132 299 / 627 185 / (Swiss Grid 1903)
N 46° 20 29 / E 007° 47’ 30’’ (WGS2 84)
Höhe 2126 m/M
Datum und Zeit 23. August 2024, 15:53 Uhr
Betriebsart Privat
Flugregeln Sichtflugregeln (Visual Flight Rules – VFR)
Startort Flugplatz Birrfeld (LSZF)
Zielort (Frankreich)
Flugphase Reiseflug
Unfallart Kontrollverlust
Personenschaden
Verletzungen Besatzungsmitglieder Passagiere Gesamtzahl der Insassen Drittpersonen
Tödlich 1 1 2 0
Erheblich 0 0 0 0
Leicht 0 0 0 0
Keine 0 0 0 Nicht zutreffend
Gesamthaft 1 1 2 0
Schaden am Luftfahrzeug Zerstört
Drittschaden Keiner
Weitere Unfälle infolge eines Kontrollverlust im Flug
Datum Luftfahrzeug Luftfahrzeugtyp Gebirge Tödlich verletzt Bericht
04.07.2008 HB-3309 Segelflugzeug DG-800S Ja 1 SB Nr. 2036
24.05.2009 HB-3357 Segelflugzeug LS 8-18 Nein 0 SB Nr. 2062
10.04.2012 HB-2331 Motorsegelflugzeug DG-800 B Ja 1 SB Nr. 2186
19.05.2012 HB-3393 Segelflugzeug ASW 28-18 Ja 1 SB Nr. 2179
26.05.2012 HB-2124 Reisemotorsegler Carat A Nein 1 SB Nr. 2198
27.07.2012 HB-1902 Segelflugzeug DG-300 ELAN Ja 1 SB Nr. 2187
25.07.2013 HB-3287 Segelflugzeug LS 8-18 Ja 0 SB Nr. 2204
27.09.2014 HB-1620 Segelflugzeug ASK 21 Nein 0 SB Nr. 2241
09.07.2016 HB-2317 Motorsegelflugzeug Ventus 2cM Nein 0 Summarischer Bericht
14.09.2016 D-KVEB Motorsegelflugzeug Binder EB29D Ja 2 SB Nr. 2347
13.08.2017 HB-2370 Motorsegelflugzeug DG-800 B Ja 1 SB Nr. 2337
18.07.2018 HB-2384 Motorsegelflugzeug Nimbus-4DM Nein 0 SB Nr. 2360
21.09.2019 HB-3411 Segelflugzeug Duo Discus Nein 0 Summarischer Bericht
12.09.2020 HB-3090 Segelflugzeug Centrair 101 A Ja 1 SB Nr. 2404
22.07.2021 D-MANS Ultraleicht-Motorsegelflugzeug Silent 2 Electro Ja 1 SB Nr. 2418
28.05.2022 HB-2320 Motorsegelflugzeug DG-800 B Ja 1 SB Nr. 2422
11.06.2022 HB-2347 Motorsegelflugzeug DG-800 B Ja 1 SB Nr. 2423
16.08.2022 HB-2449 Motorsegelflugzeug DG-808 C Ja 1 SB-Nr. 2424
16.06.2024 ZS-GUA Segelflugzeug mit Hilfsantrieb JS1-C Ja 0 Summarischer Bericht
Tabelle 1: Alle von der SUST untersuchten Unfälle von Segelflugzeugen bzw. Motorsegelflugzeugen infolge eines Kontrollverlustes im Flug seit der Untersuchung des Unfalls der HB-3309 vom 4. Juli 2008.