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39 Kriterien bewertet: Begleitgruppe der Kantone Bern und Wallis
Stromleitung nach Oberwald unter die Erde?39 Kriterien bewertet: Begleitgruppe der Kantone Bern und Wallis

Stromleitung nach Oberwald unter die Erde?

39 Kriterien bewertet: Begleitgruppe der Kantone Bern und Wallis
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Überall entstehen neue Windräder, Stromleitungen hingegen kommen vermehrt unter die Erde, weil sie als landschaftsverschandelnt empfungen werden: Die neue Höchstspannungsleitung soll zwischen Innertkirchen (BE) und Oberwald (VS) erdverkabelt werden.

Bloss für den kurzen Abschnitt von Oberwald bis Ulrichen (VS) ist eine Freileitung vorgesehen. Das empfiehlt die vom Bundesamt für Energie (BFE) eingesetzte Begleitgruppe. Die Erdverkabelung erfolgt entweder durch bestehende und neu zu bauende Stollen oder durch den multifunktionalen Grimselbahntunnel.

Die über den Grimselpaß führende, 27 Kilometer lange Höchstspannungsleitung zwischen Innertkirchen (BE) und Ulrichen (VS) ist zu einem großen Teil über 60 Jahre alt und muß ersetzt werden.

Im Rahmen der Erneuerung wird gleichzeitig auch eine spätere Spannungserhöhung von heute 220 Kilovolt (kV) auf 380 kV vorbereitet.

Mit Blick auf die Energiestrategie des Bundes ist die Kapazitätserhöhung nötig, um die wachsende Stromproduktion aus Wasserkraft in den Kantonen Bern, Wallis und Tessin ins Schweizer Mittelland zu transportieren und die Versorgungssicherheit in der ganzen Schweiz langfristig zu stärken.

39 Kriterien bewertet: Begleitgruppe der Kantone Bern und Wallis

Neue Höchstspannungsleitungen müssen im Sachplan Übertragungsleitungen des Bundes (SÜL) festgesetzt werden. Das Bundesamt für Energie (BFE) hat 2020 das Verfahren für die Leitung Innertkirchen – Ulrichen gestartet und eine entsprechende Begleitgruppe eingesetzt.

In dieser Begleitgruppe waren unter anderen verschiedene Bundesstellen, die Stiftung für Landschaftsschutz und die Kantone Wallis und Bern vertreten.

Die Begleitgruppe hat insgesamt sechs Korridorvarianten nach 39 Kriterien zu den Themen «Raumentwicklung», «Umwelt», «Technik» und «Wirtschaftlichkeit» geprüft und bewertet. Korridore markieren geografische Räume, in welchen später ein Trassee mit einer bestimmten Übertragungstechnologie – Freileitung oder Erdkabel – realisiert wird.

Erdverkabelung unter der Grimsel

Die Begleitgruppe empfiehlt zuhanden des BFE eine Erdverkabelung zwischen Innertkirchen und Oberwald und eine Freileitung zwischen Oberwald und Ulrichen.

Für die rund 23 Kilometer lange Erdverkabelung zwischen Innertkirchen und Oberwald gibt es zwei Varianten.

  • In der Variante 1 wird die Höchstspannungsleitung von Innertkirchen bis Handegg in einem neu zu bauenden Kabelstollen geführt. Zwischen Handegg und dem Kraftwerk Grimsel 2 soll die Leitung in bestehenden Stollen der Kraftwerke Oberhasli AG (KWO) verkabelt werden. Zwischen dem Kraftwerk Grimsel 2 und Oberwald wird die Leitung erneut in einem neu zu bauenden Stollen geführt.
  • Bei der alternativen Variante 2 wird die Höchstspannungsleitung in den multifunktionalen Grimselbahntunnel verlegt. Dieser zur Diskussion stehende Bahntunnel soll von Innertkirchen nach Oberwald führen. Die Höchstspannungsleitung ist in einem parallel zum Bahntunnel verlaufenden Kabelstollen vorgesehen.

Bei beiden Varianten durchquert die Leitung in Oberwald unterirdisch den Talgrund. An der Südseite des Tals ist ein Übergangsbauwerk vorgesehen. Von dort führt die Höchstspannungsleitung über eine Länge von 4.5 Kilometern als Freileitung nach Ulrichen bis zur bestehenden Leitung über den Nufenenpaß.

Beide Varianten sind aus Sicht Übertragungskapazität gleichwertig. Unabhängig von den Varianten rechnet Swissgrid für die gesamte Leitung zwischen Innertkirchen und Ulrichen mit Investitionskosten zwischen 210 und 250 Millionen Franken.

Rücksicht auf Menschen und Umwelt

Die vorgeschlagene Erdverkabelung entlastet die Ortschaften Guttannen (BE), Obergesteln (VS) und Ulrichen von Freileitungen. Nationale und internationale Schutzgebiete werden geschont.

Dazu gehören das durch das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung (BLN) geschützte Gebiet Berner Hochalpen und Aletsch-Bietschhorn, die Moorlandschaft Grimsel aus dem Bundesinventar der Moorlandschaften sowie das UNESCO-Weltkulturerbe Jungfrau-Aletsch.

Zudem schützt die Verkabelung speziell auf Berner Seite des Grimselpasses die Höchstspannungsleitung vor Lawinen und Murgängen. Beide Varianten erfüllen das Gebot, verschiedene Infrastrukturen möglichst zu bündeln.

Die unterirdische Führung der Höchstspannungsleitung zwischen Innertkirchen und Oberwald wäre schweizweit die längste Erdverkabelung. Mit der Länge einer Verkabelung steigt aber auch die Komplexität der gesamten Steuerung des Stromsystems. Deshalb empfiehlt die Begleitgruppe, auf eine Verkabelung zwischen Oberwald und Ulrichen zu verzichten.

Entscheid Ende 2022 erwartet

In der zweiten Hälfte Juni 2022 gehen die beiden Varianten in eine drei Monate dauernde öffentliche Mitwirkung. Die entsprechenden Unterlagen werden auf der BFE-Webseite einsehbar sein.

Zudem werden die Entwürfe der SÜL-Dokumente während mindestens 20 Tagen öffentlich aufgelegt. Alle Interessierten können sich bei der Mitwirkung einbringen.

Nach der Auswertung der Eingaben gibt das BFE zuhanden des Bundesrats eine abschliessende Empfehlung ab. Bis Ende 2022 soll der Bundesrat den Planungskorridor und die Übertragungstechnologie für die zukünftige Höchstspannungsleitung zwischen Innertkirchen und Ulrichen festsetzen.

Stollen oder multifunktionaler Grimselbahntunnel?

Sollte der Bundesrat der Empfehlung der Begleitgruppe folgen, muß später entschieden werden, ob die Stollen-Variante oder alternativ die Variante mit dem multifunktionalen Grimselbahntunnel realisiert wird.

Damit die Variante Grimselbahntunnel umgesetzt werden kann, sind verschiedene Voraussetzungen nötig.

Bundesparlament hat letztes Wort

Zum einen muß im nationalen Parlament bis spätestens 2027 die Finanzierung des Bahntunnels beschlossen sein. Zum andern wird bis spätestens 2030 eine Baubewilligung benötigt.

Sind beide Voraussetzungen erfüllt – neben weiteren betrieblichen und technischen – kann die Höchstspannungsleitung durch den multifunktionalen Grimselbahntunnel geführt werden.

Andernfalls erfolgt die Linienführung über die Stollen-Variante. Da Swissgrid nicht zuwarten kann, bis das nationale Parlament abschließend über den Grimselbahntunnel entschieden hat, treibt Swissgrid die Planung der Variante mit dem Bau neuer Kabelstollen und der Benützung bestehender KWO-Stollen voran. Nach heutigem Planungsstand soll die Höchstspannungsleitung den Betrieb ungefähr in der Mitte der 2030er Jahre aufnehmen.

Im Dialog mit der Bevölkerung

Um Bevölkerung und betroffene Gemeinden direkt aus erster Hand zu orientieren, organisieren Swissgrid und BFE zwei Informationsveranstaltungen. Die Veranstaltung in Innertkirchen findet am 1. Juni 2022, die Veranstaltung in Oberwald am 2. Juni 2022 statt. Auch die Grimselbahn AG als Projektantin des Grimselbahntunnels wird vor Ort sein.

Swissgrid ist die nationale Netzgesellschaft und verantwortet als Eigentümerin den sicheren und diskriminierungsfreien Betrieb sowie den umweltverträglichen und effizienten Unterhalt, die Erneuerung und den Ausbau des Schweizer Höchstspannungsnetzes.

An den Standorten in Aarau, Prilly, Castione, Landquart, Laufenburg, Ostermundigen und Uznach beschäftigt Swissgrid über 600 qualifizierte Mitarbeitende aus 28 Nationen. Als Mitglied des Verbands Europäischer Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E nimmt sie zudem Aufgaben im Bereich der Netzplanung, der Systemführung und der Marktgestaltung im europäischen Stromaustausch wahr. Verschiedene Schweizer Elektrizitätsunternehmen halten gemeinsam die Mehrheit des Aktienkapitals von Swissgrid.

(pd, rm)

SW
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