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Nicht erklärbare Lohndifferenzen zwischen den Geschlechtern

Nicht erklärbare Lohndifferenzen zwischen den Geschlechtern

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Ein Gastbeitag von Anja Katharina Schmid und Marie-Claude Schöpfer-Pfaffen

Obwohl die statistisch feststellbare Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern in der Schweiz seit längerem sinkt, besteht gemäss Erhebungen des BSF von 2018 nach wie vor ein unerklärbarer, diskriminierender Anteil zuungunsten der Frauen im öffentlichen Sektor (11,4 %) und im privaten Sektor (14,4 %). Bei gleichem Bildungsniveau und gleicher beruflicher Stellung lag der standardisierte monatliche Bruttomedianlohn im privaten Sektor bei den Frauen tiefer als bei den Männern. Frauen verdienten je nach Bildungsniveau zwischen 8,0 % und 22,1 % weniger als die Männer. Zudem war der Lohn von Frauen je nach beruflicher Stellung zwischen 9,5 % (unteres Kader) und 21,7 % (oberstes, oberes und mittleres Kader) tiefer als jener der Männer. Im privaten Sektor nimmt der Lohnunterschied überdies mit dem Alter zu. Diese strukturellen Probleme sind im Wallis gravierender als in anderen Gebieten der Schweiz. Dies geht aus der Analyse der Walliser Daten der Schweizerischen Lohnumfrage 2016 hervor, die der Kanton durchgeführt hat.

Es ist unzureichend, wenn die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern nur bei den öffentlich-rechtlichen Institutionen vorangetrieben wird, denn die Bundesverfassung statuiert diese explizit für alle Arbeitgeber. Das Gleichstellungsgesetz verpflichtet zudem Unternehmen ab einer Grösse von 100 Mitarbeitenden regelmässig Lohngleichheitsanalysen durchzuführen. Die grosse Masse der mittleren und kleinen Unternehmen, welche in unserem Kanton sehr zahlreich sind, fällt durch dieses Raster. Mit Schwierigkeiten rund um das Salär zu kämpfen haben besonders auch die Walliserinnen, die nach einer Mutterschaftspause wieder in ihren angestammten Beruf einsteigen: tiefere Lohnklasse, nicht angerechte Erfahrungsanteile oder Degradierung nach Pensumsreduktion.

Vor dem Hintergrund, dass die Justiz auf Bundesebene in familienpolitischer Hinsicht mittlerweile taktend vorprescht und sich den Realitäten der modernen Lebenswelt stellt, steht die hinterherhinkende Politik augenscheinlich verstärkt in der Pflicht. Nicht erklärbare Lohndifferenzen ziehen in Kombination mit weiteren strukturellen Problemen eine schlechtere Altersvorsorge nach sich. Vor allem im Niedriglohnsegment Teilzeit arbeitende Frauen sind bedroht. Mit 37 % weniger Rente leben in der reichen Schweiz 170’000 Frauen in Altersarmut.

Mit unserer Interpellation sind wir deshalb – die Fortschritte des Kantons als Arbeitgeber und die Vorbildfunktion der Verwaltung anerkennend – mit verschiedenen Fragen an den Staatsrat gelangt. Da im Wallis die Verpflichtung zur Lohngleichheit mit der Unterzeichnung der Charta der Lohngleichheit 2017 eingeführt wurde, wollten wir in Erfahrung bringen, wie erfolgreich der Rücklauf zur Evaluation der Lohnpolitik seitens Unternehmen ist? Wir wollten neben anderem mit dem Ziel einer Analyse der Gründe für die nach wie vor existierenden nicht erklärbaren höheren Lohndifferenzen im privaten Sektor wissen, ob eine einsehbare Statistik existiert? Zudem wollten wir erfragen, ob seitens des Kantons eine Strategie erarbeitet wurde, um die nicht erklärbare Lohnungleichheit auch ausserhalb der öffentlich-rechtlichen Institutionen mit aktiven Massnahmen zu bekämpfen?

Die in der Antwort des Staatsrates hervorgehobenen Massnahmen im öffentlichen Sektor und auf dem Gebiet des öffentliches Beschaffungswesen sowie die Sensibilisierungskampagnen des kantonalen Amtes für Gleichstellung und Familie (KAGF) sind sehr begrüssenswert. Unsere Fragen nach Daten und Erhebungen, die detaillierter Aufschluss über die Gründe der Lohnungleichheiten im Privatsektor geben könnten, blieben mit Hinweis auf die Kompetenz des Bundes in Fragen, welche über das Gleichstellungsgesetz hinausgehen, unbeantwortet. Frauen müssen daher auch 2022 mit dem Signieren des Arbeitsvertrags noch davon ausgehen, dass sie im Wallis bei gleichem Bildungsstand und gleicher Kompetenz vor allem in der Privatwirtschaft länger für ihren Lohn arbeiten müssen als der gleich qualifizierte Arbeitskollege.


Anja Katharina Schmid und Dr. Marie-Claude Schöpfer-Pfaffen sind Grossratssuppleantinnen der CSPO. Sie haben die Interpellation 2021.12.542 eingereicht, die am 9. Juni im Grossen Rat behandelt wird.

Den Text der Interpellation können Sie hier nachlesen: https://parlement.vs.ch/app/de/search/document/174972

Die Antwort des Staatsrats finden Sie hier: https://parlement.vs.ch/app/de/search/document/178471


 

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