
Zermatter Abfallsaga
Eine Glosse von Thomas Baumann
Ab 1. Oktober ist in Zermatt das innovative und preisgekrönte Wertstoff- und Abfallsammlungssystem „Alpenluft“ der Schwendimann AG aus Münchenbuchsee definitiv Geschichte.
An seine Stelle tritt ein gemeindeeigenes Entsorgungssystem, welches das bisherige noch in den Schatten stellen soll. So jedenfalls versprach es die Gemeinde Zermatt. Vollmundig sprach man von zukünftigen „Chancen“, „Verbesserungen“ und „Synergien“.
Bislang gibt sich die Gemeinde – und insbesondere die sonst so kommunikationsfreudige Gemeindepräsidentin – jedoch schweigsamer als die Sphinx. Kein einziges Wort zu den gelobten Verbesserungen und Synergien kommt über ihre Lippen.
Was geschieht also ab dem 1. Oktober mit dem Zermatter Müll? Drei Szenarien:
1. Das Mattertal bis zum Fuss des Horu asphaltieren
Fernab der Heimat – und doch wie zu Hause. Nicht wenige Touristen haben es am liebsten so.
Dies dürfte auch für Touristen aus Fernost gelten. Und dass China der nächste grosse Tourismus-Herkunftsmarkt wird, dürfte sich mittlerweile bis in die hintersten Alpentäler herumgesprochen haben.
Die klassische chinesische Dichtung besingt Bambushaine im Nebel – die aktuelle Realität in China ist jedoch eher: Betonwüsten im Dämmerlicht des Smog. Doch auch das vermag Heimatgefühle auszulösen.
Vor zwei Jahren berichtete das Fernsehen SRF über ein Projekt in Zermatt: Die Gemeinde asphaltierte eine Strasse mit Plastikmüll.
Bekanntlich hat der Gemeinderat bekanntgegeben, in Zukunft auch Plastikabfälle separat sammeln zu wollen. Doch wohin damit? Da sich der Pilotversuch erfolgreich gestaltet hatte, liegt es auf der Hand: Dem Strassenbelag beimischen.
Die Strasse nach Täsch dürfte jedoch bei weitem nicht ausreichen, um all die Plastikabfälle aufzunehmen. Da bräuchte es wesentlich grössere Flächen.
Die Lösung: Das ganze Mattertal bis hoch zum Horu asphaltieren. Damit schlägt man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Der Plastikmüll kam elegant einer neuen Verwertung zugeführt werden – und gleichzeitig wird dem Heimatgefühl der Besucher aus Fernost Rechnung getragen.
Zwar mögen auch Chinesen Grünflächen. Aber die einfache und praktische Fortbewegung hat doch Priorität.
Zudem: Der Bau neuer Seilbahnen ist aufwendig und langwierig. Ist das hintere Mattertal bis zum Fuss des Matterhorn erst einmal durchgehend asphaltiert, dann kann die touristische Aufnahmekapazität vervielfacht werden. Anstatt mit der Seilbahn fährt man dann einfach mit dem Elektromobil Richtung Matterhorn. Soll halb China eines Tages am Neujahrsfest statt heim zur Familie tatsächlich einmal nach Zermatt fahren, dann dürfte das dringend notwendig sein.
Mit anderen Worten: Eine Win-Win-Situation wie aus dem Lehrbuch und eine Investition in die touristische Infrastruktur für die Ewigkeit.
2. Löcher in der Autobahn stopfen
Mitten im – ausgerechnet! – Sommerloch, machte die Geschichte von den Löchern in der Autobahn A9 bei Siders Schlagzeilen.
Die ganze Üsserschwiiz lachte wieder einmal über das Wallis und seine Schlagloch-Autobahn.
Und verstand nicht, worum es wirklich ging. Tatsache ist: Mülldeponien sind immer schwerer zu finden. Da bietet es sich geradezu als innovative Lösung an: Versenkt den Müll unter der Autobahn! Es würde niemanden überraschen, hätte die Einwohnergemeinde Zermatt mit den restlichen, bislang noch nicht ausgeschöpften 700’000 Franken des Investitionskredit für die neue Entsorgungsinfrastruktur Optionen auf neue Löcher in der A9 gekauft.
3. Schwimmen im Abfall
Schwimmen im Geldspeicher – das war einmal. So etwas konnte auch nur dekadenten Amerikanern und vielleicht noch irgendwelchen nicht minder dekadenten Ölscheichs einfallen.
Schweizer hingegen sind viel bodenständiger. Hier stellt man seinen Reichtum nicht protzig zur Schau – dafür lebt man mit seinem Müll quasi in trauter Zweisamkeit. Zwangsläufig, wenn man vorschriftsgemäss den Müll trennt und einige Sammlungen nur alle zwei Monate stattfinden.
Vor drei Jahren prophezeite Gemeindepräsidentin Romy Biner-Hauser: „In zehn Jahren bade ich im öffentlichen Schwimmbad.“
Lange hat man sich gewundert, warum zu diesem Projekt bislang Funkstille herrscht. Der Grund: Die Gemeinde Zermatt war angestrengt auf der Suche nach Synergien. Und hat sie gefunden!
Das neue Schwimmbad soll Gerüchten zufolge auch als Mülldeponie dienen. Selbstverständlich nicht als ordinäre Mülldeponie, sondern als erstes inneralpines Naturmüll-Freibad.
Lebt man in der Schweiz quasi mit dem Müll, so kann man in Zermatt sogar drin schwimmen.
Selbst die Werbekampagne steht schon. Dabei hat man sich an einer bekannten Werbung auf den 1980-er Jahren orientiert:
A: „Ach das ewige Spülen!“
B: „Wohl noch nie was von Palmolive gehört? Sie baden gerade ihre Hände drin.“
A: „Im Geschirrspülmittel?“
B: „In Palmolive.“
Die neue Zermatter Version lautet gemäss Insidern so:
A: „Ach, das ewige Müllraustragen!“
B: „Wohl noch nie was von Zermatter Müll gehört? Sie baden grad darin“
A: „Im Müll?“
B: „In Zermatter Müll.“
Was glauben Sie, lieber Leserin, lieber Leser: Welche dieser drei Varianten wird in Zermatt Realität? Schreiben Sie es uns!