
Behandlung der Pendler von Domodossola ins WallisDer Kampf um einen Sitzplatz muss ein Ende haben
Ein Gastbeitrag von Brigitte Wolf
5:58 Uhr auf dem Bahnhof Domodossola. Der Zug Richtung Simplon setzt sich in Bewegung. Eine Stunde später folgt ein weiterer. Die grosse Mehrheit der Fahrgäste am Morgen sind Grenzgänger:innen, die jeden Tag zu Hunderten durch den Simplontunnel ins Oberwallis kommen, um hier zu arbeiten.
Ohne diese Arbeitskräfte würde die lokale Wirtschaft nicht funktionieren. Die Männer und Frauen arbeiten in der Lonza, im Baugewerbe, im Detailhandel, im Gastgewerbe, als Coiffeur oder Coiffeuse usw.
35 Minuten dauert die Fahrt bis Brig. Dank der Bahnlinie durch den Simplontunnel fahren die meisten Grenzgänger:innen mit dem Zug zur Arbeit und wieder nach Hause. Das ist gut für das Klima und die Umwelt. Auch für die betroffenen Menschen ist die Reise im Zug kürzer und grundsätzlich auch angenehmer – ausser, wenn es viel zu wenig Platz gibt! Dann bedeutet die Fahrt zur Arbeit Stress, einen Kampf um die raren Sitzplätze, ein Gedränge im Zug, Stehen statt Sitzen – Schulter an Schulter.
Die BLS hat in den letzten Jahren zwar zusätzliche Verbindungen zwischen Domodossola und Brig geschaffen, die Kapazitäten reichen aber bei Weitem nicht mehr aus. Dies ist längst offensichtlich und nicht erst seit dem Zugsausfall und der nachfolgenden Protestaktion in Domodossola am 30. September klar.
Technische Pannen können passieren, Züge können ausfallen – das Problem dabei ist, dass es absolut keinen Puffer gibt. Wenn überfüllte Züge als Normalzustand hingenommen werden, muss man sich nicht wundern, wenn bei der kleinsten Panne das ganze System zusammenbricht.
Warum reagieren die Verantwortlichen nicht endlich auf die menschenunwürdigen Zustände in den Zügen zwischen Domodossola und Brig? Die italienischen Grenzgänger:innen zahlen für ihr Abonnement oder ihr Ticket genauso wie du und ich, wenn wir ins Unterwallis, nach Bern oder am Samstag nach Domodossola zum Markt fahren.
Man stelle sich einmal vor, dieselben Zustände würden auf der NEAT-Linie zwischen Bern-Thun-Spiez und dem Wallis herrschen! Längst hätten sich die Pendler:innen gewehrt und die Politiker:innen in Sitten und Bern mehr und längere Züge gefordert.
Der Vorfall Ende September hat vor allem eine Sache klar gemacht. So kann es nicht weitergehen! Es muss endlich gehandelt werden. In Zeiten von Wirtschaftsboom und Arbeitskräftemangel ist nicht zuletzt das Funktionieren der Oberwalliser Wirtschaft davon abhängig. Wer genau wie handeln muss, entzieht sich leider meinen Kenntnissen.
Doch die Missstände können weder der BLS, noch der Oberwalliser Wirtschaft, dem Regions- und Wirtschaftszentrum Oberwallis (RWO) oder dem Kanton gleichgültig sein! Es muss doch möglich sein, gemeinsam Lösungen zu finden!
Brigitte Wolf ist Grossrätin und Co-Präsidentin Grüne Wallis