
Prediger auf Abwegen
Eine Kolumne von Thomas Baumann
Samuel Burgener, Blattmacher beim Walliser Boten, wurde 2021 zum „Lokaljournalist des Jahres“ gekürt. Als solcher begegnet er lokalen Initiativen mit Offenheit, Interesse und Wohlwollen. Könnte man meinen.
Mindestens ebenso gerne sieht er sich jedoch auch in der Rolle des Predigers des einzig Wahren und Alleinseligmachenden. Offenheit und Neugier sind ihm dabei nur hinderlich, platte Vorurteile dagegen umso schneller zur Hand.
Unlängst fiel sein Zorn auf eine friedliche Gruppe von Männern, die sich – zumindest vordergründig – in historischem Interesse zusammengefunden haben: Der Ritterorden von Niedergesteln. Ihr einziges Vergehen: Sie sind Männer.
Und weil dieser Ritterorden unlängst Nationalrat Philipp Matthias Bregy und Ständerat Beat Rieder zu neuen Rittern schlug, ging unserem tapfren Don Quijote de la Pomonastrasse doch glatt der klapprige Gaul durch.
Apodiktisch deduziert er: „Die Frage ist, wie man diese männlichen Strukturen schnellstmöglich auflösen kann. Und da hätte ich, lieber Herr Rieder und lieber Herr Bregy, eine sehr gute und sehr einfache Lösung. Man verweigert einfach den Beitritt. Und leistet damit einen kleinen Beitrag für eine gerechtere, bessere und schönere Welt.“
Amen.
Eine bessere, schönere und gerechtere Welt: Wer wollte sich einem solch hehren Ziel nicht anschliessen! Doch wie erreichen?
Gemäss dem Artikel von Samuel Burgener trugen Bregy und Rieder „seltsame Ritterröcke und irrten planlos umher“. Messerscharf deduzieren wir: Wenn erwachsene Männer sich weigern, in „seltsamen Ritterröcken planlos umher zu irren“ wird die Welt automatisch eine bessere und gerechtere Welt.
Wenn es doch nur so einfach wäre! Keine Ritterspiele mehr und alles wird gut, alle Probleme der Welt gelöst. Wäre dem wirklich so: Samuel Burgener hätte soeben das Perpetuum Mobile der Allgemeinen Glückseligkeit erfunden.
Dabei hat er sich wohl von einem bekannten Kinderlied inspirieren lassen: „Froh zu sein bedarf es wenig und wer froh ist, ist ein König!“ Der Weise ähnelt eben dem Kind, das wussten schon die Alten.
Was eine bessere und eine gerechtere Welt sind: tatsächlich schwierige Fragen. Eher einig wird man sich wohl, was eine schönere Welt ist: Zum Beispiel eine Welt, in der Kunst und Kultur einen wichtigen Platz einnehmen.
Und was macht dieser Ritterorden? Gemäss dem Ordensmeister der Ritter von Turn:
„Der Ritterorden ist eine selbstständige Vereinigung im Rahmen der Stiftung Pro Castellione. Die einzige Verpflichtung unserer Mitglieder ist die Entrichtung eines Jahresbeitrages. Mit dem Jahresbeitrag finanzieren wir ein jährliches Rittermahl. Mit den restlichen Geldern unterstützen wir die Stiftung Pro Castellione, welche sich insbesondere für die Verschönerung des Ortsbildes von Niedergesteln engagiert. So haben wir Ritter unter anderem die Beleuchtung des Weges hinauf zur Ritterburg, die Pflasterung der genannten Weges und viele weitere Projekte unterstützt.“
Hoppla, da hätten wir es: Die Welt ist doch einiges komplizierter als unser wackerer Prediger glaubte.
Verdammt sei das männliche Geschlecht, verdammt in alle Ewigkeit! So lautet die erste Prämisse unseres Predigers. Und was ist schlechter als ein Mann? Zwei Männer! Und was schlechter als zwei Männer? Eine ganze Gruppe von Männern! Also: Auflösen.
Gleichzeitig soll die Welt eine schönere Welt werden. Was macht die Welt schöner als Kunst und Kultur?
Und erschrocken müsste unser Prediger feststellen, wenn er sich denn der Realität stellen wollte: Diese verdammenswerte Männergruppe unterstützt ausgerechnet … Kultur! Und macht damit die Welt tatsächlich zu einer … schöneren Welt!
Doch was nicht sein darf, kann nicht sein. Samuel Burgener geht es wie in einem billigen Witz:
Paragraph 1: Alle Männergruppen sind schlecht.
Paragraph 2: Ist eine Männergruppe nicht schlecht, tritt Paragraph 1 in Kraft.
Sollten Sie Samuel Burgener in nächster Zeit mit bandagiertem Gesicht sehen: Keine Angst, es war nicht einer seiner Hater. Von denen es, eingedenk der eigenen Bedeutung, natürlich eine stattliche Anzahl gibt.
Der Grund dürfte trivialer sein: Samuel Burgener ist wieder einmal mit der Realität kollidiert. Wie schon die Alten sagten: Wer die Augen vor der Realität verschliesst, kollidiert umso eher mit ihr.
Übrigens: Ritter besagten Ordens ist auch ein gewisser Renzo Cicillini. Sie erinnern sich an die Schlagzeile im Walliser Boten: „Wir möchten gerne mit Renzo Cicillini sprechen.“ Da war wohl jemand beim Walliser Boten ganz besonders neidisch auf diesen Ritterorden. Die Art, es ihm heimzuzahlen, war aber nicht besonders … ritterlich.