
Analyse zur Massentierhaltungsinitiative
Eine Kolumne von Thomas Baumann
Im Nachgang der Ablehnung der Massentierhaltungsinitiative kam umgehend die Forderung auf’s Tapet, dass die Grossverteiler ihre Margen auf Bio-Produkte offenlegen und senken sollten.
Stellt sich die Frage: Sind die Margen der Grossverteiler auf Bio-Produkten tatsächlich überhöht?
Ohne die genauen Zahlen in Erfahrung zu bringen, kann man aufgrund ökonomischer Überlegungen davon ausgehen, dass dies tatsächlich der Fall sein dürfte.
Auch beim Detailhandel gilt die alte Devise: The business of business ist business. Oder auf gut Deutsch: Das Geschäft einer Firma ist es, Geld zu machen.
Um Geld zu machen gibt es zwei Strategien: Man verkauft in Massen an die Massen – oder zu hohen Preisen an eine exklusive Kundschaft. Aus Unternehmersicht am besten wäre jedoch: Gleich beide Käufersegmente zu jeweils verschiedenen Preisen zu bedienen.
Oder ökonomisch ausgedrückt: Preisdifferenzierung, um die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft abzuschöpfen. Dazu gibt es eine Vielzahl von Strategien:
Eine der bekanntesten ist der Eintauschrabatt für Elektrogeräte. Eine Person mit einem funktionierenden Smartphone kann sich mehr Zeit lassen bei der Wahl eines neuen Geräts als jemand, dessen Smartphone gerade den Geist aufgegeben hat. Deshalb offeriert man der Person mit einem funktionierenden Gerät einen tieferen Preis, um sie zu einem Impulsivkauf zu animieren. Bei der Person mit dem defekten Gerät ist die Zahlungsbereitschaft jedoch höher – die Person ist schliesslich unter Druck, sich so rasch als möglich eine neues Gerät zu besorgen – entsprechend ist der Angebotspreis höher.
Auch Aktionen machen sich einen solchen Effekt zunutze. Um Aktionsbroschüren zu lesen und die besten Aktionen zu finden oder in der App zu aktivieren ist Zeit notwendig. Je höher das Einkommen einer Person, desto höher die Opportunitätskosten der Zeit. Wer jedoch pro Zeiteinheit wenig verdient, für den lohnt sich der Zeitaufwand zum Finden der besten Aktionen eher.
Eine damit nahe verwandte Strategie sind die Spezialangebote des Elektronik-Detailhändlers Media Markt während der Nacht bis morgens um 8 Uhr. Wer einem gut bezahlten Job nachgeht und entsprechend stark eingespannt ist, hat in der Regel keine Zeit, sich die Nacht mit Schnäppchenjagd um die Ohren zu schlagen. Auch hier wird anhand von Faktoren, die mit dem sozioökonomischen Status korrelieren, der Markt segmentiert: Billige Angebote bleiben einer Kundschaft mit geringerer Kaufkraft und entsprechend tieferer Zahlungsbereitschaft vorbehalten.
Auch das Label „Bio“ dürfte mit sozioökonomischen Faktoren korrelieren: Umweltbewusste Städter, die eher gut verdienen und kaum jeden Franken umdrehen müssen, dürften bei den Bio-Käufern übervertreten sein. Natürlich sind nicht alle Käufer von Bio-Produkten auf Rosen gebettet. Aber gerade ärmere Haushalte, die dennoch Bio-Produkte nachfragen, dürften das aus Überzeugung tun.
Mit Überzeugung geht bekanntlich oft eine gewisse Rigidität einher. Ökonomisch äussert sich das in einer tieferen Preissensitivität: Wer aus Überzeugung Bio kauft, wird nicht wegen ein paar Rappen auf konventionelle Produkte wechseln.
Beide Faktoren – das Übervertretensein kaufkräftiger Haushalte und eine relativ preisunelastische Nachfrage – führen dazu, dass die Grossverteiler für Bio-Produkte eine höhere Marge verlangen können, ohne dadurch viel Nachfrage zu verlieren.
Ein profitmaximierender Grossverteiler ist sich dieser Faktoren selbstverständlich bewusst und wird sie sich zu Nutzen zu machen versuchen. Entsprechend besteht für ihn ein Anreiz, Marktsegmentierung mit Hilfe des Labels „Bio“ zu betreiben: Für ärmere und preissensitivere Kunden gibt es konventionelle Produkte zu tendenziell tieferen Preisen und für kaufkräftigere und/oder weniger preissensitive Kunden Bio-Produkte mit einer höheren Marge für den Detailhändler.