
Antisemitisches Hassverbrechen in Zürich: Zwischen jüdische und nicht-jüdische Schweizer passt kein Blatt Papier!
Ein Kommentar von Thomas Baumann
Ein Angriff auf einen Schweizer jüdischen Glaubens ist nicht primär als Angriff auf einen Juden, sondern als Angriff auf einen Schweizer zu verstehen.
In Zürich wurde ein orthodoxer Jude von einem 15-jährigen «Schweizer» niedergestochen und lebensgefährlich verletzt. Und was schrieben die Medien?
SRF berichtete, dass «ein 15-jähriger Schweizer […] einen orthodoxen Juden mit einer Stichwaffe lebensbedrohlich verletzt hat», der Tages-Anzeiger schrieb von einem «Angriff auf jüdisch-orthodoxen Mann» und dass «ein 15-Jähriger einen orthodoxen Juden mit einer Stichwaffe angegriffen» habe. Die Nationalität des Opfers wurde dabei nicht erwähnt.
Frage an Radio Eriwan: Ist «Jude» eine Nationalität? Und warum wird zwar beim Opfer, nicht aber beim Täter die Religionszugehörigkeit genannt?
Natürlich könnte man dem Ganzen auch einen positiven Dreh geben: Bei einem Juden geht man hierzulande ganz selbstverständlich davon aus, dass er Schweizer ist. Es wäre zu schön, wär’s tatsächlich so gemeint!
Die Realität dürfte eine andere sein. Natürlich hängt die schiefe Darstellung erst einmal damit zusammen, dass die Stadtpolizei Zürich jeweils die Nationalität der Täter nennen muss — nicht aber diejenigen der Opfer.
Werden Nachahmungstäter ermuntert?
Es fragt sich allerdings, ob die Polizei, hätte es sich anstelle eines mutmasslich antisemitischen Hassverbrechens um ein solches gegen eine LGBTIQ-Person gehandelt, das Opfer auch einfach als (beispielsweise) «Homosexuellen» bezeichnet hätte.
Es fragt sich überdies, ob die Bezeichnung des Opfers als «orthodoxer Jude» wirklich mehr berechtigte Empörung gegen antisemitische Gewalt schürt, als dass sie potentielle antisemitische Nachahmungstäter befriedigt und zusätzlich ermutigt. Aber diese Frage stellt sich bei Terrorattacken ganz allgemein.
Wenn das Opfer ein Mann oder eine Frau ist, dann kann sich immerhin rund die Hälfte der Leser betroffen fühlen, wenn das Opfer Schweizer ist, dann noch einmal deutlich mehr. Auch wenn das Opfer «Zürcher» ist, fühlt sich wenigstens ganz Zürich betroffen, ganz besonders, wenn der Täter aus der Agglomeration stammt. Aber «Jude», das ist doch wieder der Andere.
Fanatisierter Täter
Also hat ein Verblendeter — er soll gemäss «20 Minuten» vor der Tat «Tod allen Juden» und «Allahu Akbar» gerufen haben — einen «Anderen» fast umgebracht. Doch was geht uns eine medial als solche rapportierte «Auseinandersetzung» (wenn man das Abstechen eines Menschen aus niederen Beweggründen denn so nennen will) zwischen einem Verrückten und einem «Anderen» überhaupt an? Man könnte denken: etwa so wenig, wie wenn irgendwo wieder einmal Gegner und Unterstützer des eritreischen Regimes aufeinander losgehen.
Doch welcher Art von «Schweizer» war der jugendliche Täter? Offenbar handelte sich um einen Eingebürgerten mit Wurzeln in Tunesien. Seine Ahnenreihe jedenfalls dürfte auf jeden Fall deutlich weniger lang in der Schweiz verweilt haben als diejenige eines beliebigen jüdischen Zufallsopfers auf den Strassen Zürichs.
Doch, wie lange jemand oder dessen Ahnen in einem Land oder in einer Region verweilt bzw. verweilt haben, hat schon einen Einfluss darauf, wie sehr man dazugehört. Je länger jemand hier ist, desto eher gehört er zur Mehrheitsgesellschaft dazu.
Wer jetzt «Rassismus» schreien will, bedenke dies: Auch nach ein paar Jahrzehnten ist man im Wallis immer noch der «Üsserschwiizer». Das ist nicht einmal so falsch. Nicht jeder Dahergelaufene kann sofort die erste Geige spielen, sondern muss sich erst mal bewähren. Und wer jetzt immer noch «Rassismus» schreien will, tue das bitte auch im Fall des Wallis.
Schweizer jüdischen Glaubens sind zuerst einmal: Schweizer
Schweizer jüdischen Glaubens sind Schweizer — und das schon seit Generationen. Nicht eben mal zugewandert und sich so gebärdend, als seien sie schon die Herren des Landes. Sondern alteingesessene, richtige Schweizer, ohne Wenn und Aber. Dass ihre religiösen Bräuche etwas von denjenigen der Mehrheit der Gesellschaft abweichen, tut hier nichts zu Sache. Religion ist Privatsache und nicht von öffentlichem Interesse. Zeugen Jehovas oder Mitglieder der Heilsarmee gelten ja auch als richtige Schweizer.
Wer einen Schweizer angreift, weil er Schweizer ist, greift die Schweiz an. Und wer einen jüdischen Schweizer angreift, weil er glaubt, damit einen Juden anzugreifen, greift ebenfalls einen Schweizer und somit die Schweiz an. Ein Hassverbrechen gegen einen schweizerischen Juden ist ebenso sehr ein Hassverbrechen gegen das gesamte Schweizervolk, wie ein Angriff auf irgendeinen beliebigen anderen Schweizer.
Gäbe es Russen, welche schon vor fünf Generationen in die Schweiz eingewandert sind — käme es da jemanden in den Sinn, sie für Putins Krieg in der Ukraine verantwortlich zu machen? Genau das gilt auch für den derzeit wütenden Krieg in Gaza. Was auch immer man davon hält: Genauso gut könnte man einen Appenzeller dafür verantwortlich machen wie einen jüdischen Schweizer, egal welcher kantonaler Herkunft.
Solidaritätskundgebungen: ein zweischneidiges Schwert
Es ist ermutigend, dass nach dem Attentat hunderte Menschen auf die Strasse gegangen sind — und auch wieder nicht ermutigend. Denn hätte der Täter «Tod den Schweizern!» gerufen, dann hätte man ihn einfach für verrückt erklärt und es wären ungefähr Null Personen auf die Strasse gegangen. Für einen Verrückten reicht das Strafrecht, es braucht keine Solidaritätskundgebungen.
«Tod den Juden!» zu rufen ist natürlich genauso hirntot, wie «Tod den Schweizern!» zu rufen. Durch die Demonstrationen wird dies aber gerade zu einer politischen Position emporgehoben, welche zwar resolut zu verwerfen ist — aber eben doch eine Demonstration «verdient». Gegen Verrückte demonstriert niemand.
Und wer versucht, Schweizerinnen und Schweizer auseinander zu dividieren, weil die einen eben jüdische Schweizer sind und die anderen… Ja was denn? Alemannische, d.h. «germanische Schweizer»? Dieser Begriff alleine zeigt schon, wie absurd solche Gedankenspiele sind. Gewohnheiten mögen sich — je nach Person — in einigen Bereichen unterscheiden, aber dennoch gilt ganz grundsätzlich: Zwischen jüdische und nicht jüdische Schweizer passt kein Blatt Papier, sie sind ein und dasselbe Volk.
Attentat auf die Schweiz
Solange man nicht deutlich festhält, dass eine geistig verwahrloste Person mit Migrationshintergrund einen Schweizer angegriffen hat, so lange verharmlost man das Problem. Es geht hier nicht um eine weitere «Minderheit» für deren Schutz die Schweiz gnädigerweise einsteht. Sondern um einen rassistisch motivierten Angriff auf ein Mitglied des Schweizervolks selbst.
Natürlich ist geistige Verwahrlosung kein Privileg von Personen mit Migrationshintergrund: Mit Dummheit und Verblendung Gesegnete gibt es in aller Herren Länder und ihr Anteil dürfte überall in ähnlichem Bereich liegen. Der eine ist ein Neonazi, die andere Antifa und der Dritte Islamist. Bloss die Verteilung ändert sich von Land zu Land.
«Besonnener in der Öffentlichkeit auftreten»
Es stimmt nachdenklich, wenn sich der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds, Jonathan Kreutner, im Nachgang zu diesem Attentat zu sagen gezwungen sieht: «Und dennoch mahnen wir den Einzelnen, die Einzelne, vorsichtiger und besonnener in der Öffentlichkeit aufzutreten.»
Mit den «Einzelnen» meint er selbstverständlich Jüdinnen und Juden. Hauptsächlich schweizerische Jüdinnen und Juden, jüdische Schweizerinnen und Schweizer. Diese sind zuerst einmal und in erster Linie: Schweizer. Es ist traurig und empörend, wenn Schweizerinnen und Schweizer sich in ihrem eigenen Land wegen irgendwelcher «importierter» Knallköpfe nicht mehr frei und unbeschwert bewegen können, sondern sich jederzeit vorsehen müssen.
Das Attentat von Zürich war kein Attentat auf «irgendwelche» Juden, welche mehr oder weniger zufällig in der Schweiz residieren, kein Verbrechen gegen irgendeine weitere Gruppe «Anderer», welche «nicht richtig dazugehören», sondern ein Hassverbrechen gegen und ein Stich mitten ins Herz des Schweizervolks: Wer einen schweizerischen Juden angreift, greift die ganze Schweiz an.