
Egomanische Politikerin
Von Thomas Baumann
Claudia Alpiger reisst den Mund gerne weit auf. Diese Zeitung berichtete bereits darüber. Meistens tönt es bei ihr so: «Ich, ich, ich…»
Auch diesmal jubelte sie ganz unbescheiden bereits im «Walliser Bote», obwohl der Wahlgang der Ständeratswahlen noch ein paar Wochen in der Ferne lag: «Zu den Ständeratswahlen: Es scheint, dass ich ein Vielfaches des Wähleranteils von SPO und JUSO erreichen werde, was mich natürlich freut.»
Die Wahlresultate geben ihr auf den ersten Blick recht: Während SPO und JUSO bei  den Nationalratswahlen insgesamt zwei Prozent aller Stimmen machten, machte Alpiger sechs Prozent aller Stimmen bei den Ständeratswahlen. Bestwert! Selbst der überaus populäre Beat Rieder schafft es bloss, seine persönliche Wählerbasis um einen Faktor 2,2 (Die Mitte Oberwallis) bzw. 1,6 (Listenverbindung Die Mitte Oberwallis und neo – die sozialliberale Mitte) über die Wählerbasis seiner Partei(en) hinaus zu erweitern.
Rein arithmetische Gründe
Die Gründe dafür liegen aber natürlich nicht primär in der Qualität der Kandidatin (oder der anderen Kandidatinnen und Kandidaten), sondern in rein arithmetischem Gründen. Als da wären:
(1) Gewisse Parteien treten nicht mit nach Kantonsteilen getrennten Listen an, namentlich FDP und Grünliberale. Dies wäre, als würde man den Wähleranteil von Claudia Alpiger nicht bloss mit demjenigen der SPO vergleichen, sondern mit demjenigen der SP im ganzen Kanton Wallis.
(2) Hat eine Partei eine Schwesterpartei im anderen Kantonsteil, welche deutlich grösser ist als die eigene Partei — und werden Kandidaten jeweils auch von den Wählern der Schwesterpartei im anderen Kantonsteil unterstützt, was gerade bei Ständeratswahlen üblich ist, so profitiert in der Regel vor allem der Kandidat oder Kandidatin aus dem bevölkerungsärmeren Teil des Wallis. Beispiel: Alferdita Bogiqi der SP Unterwallis hat ähnlich viele Stimmen gemacht wie Claudia Alpiger. Weil die Wählerbasis der SP Unterwallis aber etwa sechsmal grösser ist, wirkt es, als hätte Claudia Alpiger deutlich besser über das Wählerreservoir der eigenen Partei hinaus mobilisiert. Dabei hat sie bloss von der Solidarität der zahlenmässig viel grösseren SP Unterwallis profitiert. In Tat und Wahrheit vermochten beide Kandidatinnen im jeweils anderen Kantonsteil ähnlich schlecht zu mobilisieren: Ihr Wahlanteil bei den Ständeratswahlen lag jeweils um einen Faktor 4 tiefer als der Wahlanteil der jeweiligen lokalen Schwesterpartei bei den Nationalratswahlen.
Gleiches mit Gleichem vergleichen
Vergleicht man — damit Kandidaten von FDP und Grünliberalen nicht aus rein arithmetischen Gründen benachteiligt werden — die Wahlanteile der Kandidaten jeweils mit den Wahlanteilen aller «zusammengehörenden» Schwesterparteien in beiden Kantonsteilen, so liegen plötzlich die Grünliberalen vorne, vor FDP, Grünen und Mitte. Die Kandidaten SVP/UDC und SP folgen abgeschlagen am Schluss.
Schaut man die Mobilisierung der Kandidatinnen und Kandidaten im Bezug auf die eigene Wahlbasis in dem Kantonsteil an, in dem sie heimisch sind, so schwingen wiederum die beiden Grünliberalen obenaus. Claudia Alpiger folgt immerhin auf Platz 3.
Auch bei der Mobilisierung auf auswärtigem «Terrain» ist Claudia Alpiger nicht Spitzenreiterin: Zwar erreichte sie im Unterwallis als Ständeratskandidatin einen achtzehn Mal höheren Stimmenanteil als die SPO bei den Nationalratswahlen im Unterwallis erzielte. (Auch das kommt natürlich vor, dass die SPO im Unterwallis gewählt wird. Wenn auch nicht in allzu grosser Zahl.) Sie übertrumpfte damit die Beat Rieder, dessen Anteil im Unterwallis «bloss» zwölf Mal höher war, als dem Wähleranteil der Mitte-Parteien aus dem Oberwallis im Unterwallis entsprach. Spitzenreitern aber ist Marianne Maret, welche im Oberwallis einen über fünfzig Mal höheren Wahlanteil erzielt als «Le Centre», die Mitte-Partei aus dem französischsprachigen Kantonsteil.
Auch für Claudia Alpiger gilt also: Lifere statt lafere. Und sich nicht mit fremden Federn schmücken. Ihr würde — gerade im Hinblick auf ihr Exekutivamt — etwas mehr Bescheidenheit und weniger Grossspurigkeit gut anstehen. Nicht alles, was einem dank einer günstigen Konstellation quasi «gratis» in den Schoss fällt, ist eigenes Verdienst.
(Bild: FB)