
Die Alltagslast – der moderne Pilger mit TupperwareChristophorus würde Christus heute zwar noch tragen, aber nicht ohne sein Handy
Eine Kolumne von Yannick Ziehli
Wer morgens aus dem Haus geht, kann dies kaum unbeschwert tun. Autoschlüssel, Hausschlüssel, Büroschlüssel, Badge, Tupperware mit dem Lunch, Sportsachen, Handy… die Liste scheint endlos.
Die Dinge sind klein, ihre Summe gewichtig. Unter den vielen Gegenständen, die uns regelmässig jäh ins Haus zurückbeordern, weil wir im Auto gemerkt haben, dass wir sie doch vergessen haben, scheint einer besonders dominant: das Handy.
Der amerikanische Philosoph Daniel Dennett stellte in der Sendung Sternstunde Philosophie (SRF, „Geist, Gott und andere Illusionen“) einen faszinierenden Vergleich an, indem er das menschliche Bewusstsein mit dem Aufbau eines Handys erklärte.
Es ist zwar kein integraler Bestandteil unseres Bewusstseins, aber in gewisser Weise doch ein ausgelagerter Teil unseres kognitiven Apparates. Es denkt mit. Es erinnert für uns. Es weiss, wann wir Durst haben oder schlafen sollten.
Der Mensch, einst Träger einer Seele, ist heute Träger eines Geräts, das ihm sagt, wer er sein soll. Es ist Terminplaner, Kalender, Fotoalbum, Einkaufszettel, Modem, Taschenlampe, Notizbuch, Portemonnaie und moralischer Kompass in einem.
Wer es nicht dabeihat, ist nicht einfach schlecht erreichbar. Er ist, im gesellschaftlichen Sinn, kaum mehr anwesend.
Und wer sein Mobiltelefon tatsächlich einmal vergisst, merkt schnell, dass er doch noch fähig ist, sich selbst zu tragen. Auch ohne Taschenlampe, Timer und Pushnachricht.
Und manchmal, da reicht es vielleicht, den Einkaufszettel zu vergessen und trotzdem satt zu werden. Das schrieb einmal ein Kolumnist. Ich kenne ihn gut.