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Knall bei Migros: Der orange Riese wankt – Entlassung von 1.500 Leuten

Knall bei Migros: Der orange Riese wankt – Entlassung von 1.500 Leuten

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Gottlieb Duttweiler dreht sich wohl gerade im Grabe um.

Migros gibt heute eine längere Medienmitteilung heraus.

Hotelplan, Mibelle, Bike World, Do it + Garden, Melectronics, Micasa, OBI, SportX sollen weg oder wie es heißt, sie werden „einer eingehenden Überprüfung“ unterzogen, so verlautet der Konzern. Der Verwaltungsrat habe es so beschlossen. Beraten wird er offenbar von der Unternehmensberatung McKinsey.

Die brisantesten Sachen folgen am Schluß der Mitteilung, 1.500 Leute werden auf die Straße gestellt. Die Unia und ihre Mitglieder bei Migros seien schockiert über das Ausmaß des heute angekündigten Stellenabbaus, so die Gewerkschaft.

Zuvor hatte der Migros-Genossenschafts-Bund 125 Millionen Franken und die Migros-Bank 97 Millionen an den Pleitier Benko bzw. seine Holding ausgeliehen. Das Geld ist wohl großteils weg bzw. ein Abschreiber.

Die Migros stärke nun das Kerngeschäft, so der Konzern.

Kehrtwende? Seit wann die Migros das Kerngeschäft entdeckt hat, fragt sich. Denn der Konzern kauft seit Jahren Beteiligungen an Jungunternehmen oder ganze Jungunternehmen in allen möglichen Bereichen und Geschäftsfeldern.

Die Migros-Gruppe wolle die Attraktivität ihres Kerngeschäfts für die Kunden steigern und fokussiert sich zudem gezielt auf jene Geschäftsfelder, in denen sie auch in Zukunft erfolgreich sein kann.

Die Detailhändlerin werde in den kommenden fünf Jahren für ihre Kundinnen und Kunden über acht Milliarden Franken investieren, unter anderem in günstigere Preise und neue Ladenkonzepte.

Migros trennt sich

Gleichzeitig werde sich die Migros von Unternehmen trennen, „die nicht mehr zur Gruppenstrategie passen“, so heißt es weiter.

Für Hotelplan und Mibelle suche sie deshalb geeignete neue Eigentümer. Zukunftsgerichtete Lösungen strebt die Migros außerdem für ihre Fachmärkte an.

Für die Kunden und Geschäftspartner änderen die Verkaufsprozesse nichts, so der Konzern. Sämtliche Geschäfte laufen wie bisher zuverlässig weiter.

Mit der 2021 verabschiedeten Gruppenstrategie entschied die Migros, in Zukunft konsequent auf die Geschäftsfelder Detailhandel (Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel [„Non Food“)), Finanzdienstleistungen (Migros-Bank) und Gesundheit (Medbase-Gruppe) zu setzen.

Neuerdings gehört also der Bereich Gesundheit zum Kerngeschäft der Migros, wer hätte das geacht.

Was ist das „Kerngeschäft“?

Mit der Konzentration auf das Kerngeschäft wolle die Migros ihre Position als Nummer 1 im Schweizer Detailhandel festigen. Sie will im Detailhandel ihre Kundinnen und Kunden mit attraktiven Preisen, Top-Qualität und gutem Service sowie vielseitigen Sortimenten für jedes Budget überzeugen.

So plane sie, in den kommenden fünf Jahren rund acht Milliarden Franken in den Werkplatz Schweiz und darüber hinaus in günstigere Preise für die Kundinnen und Kunden zu investieren.

Im Zentrum stehen dabei nebst Investitionen in die Migros-Supermärkte die Einführung eines neuen Ladenkonzepts für Denner, eine effektivere und erweiterte Logistik von Denner und Digitec Galaxus, der Ausbau des Digital-Geschäfts sowie kundenfokussierte, profitable Produktionsbetriebe in der eigenen Migros Industrie.

Portfolio „durchleutet“

Im Zuge der strategischen Fokussierung wurde das Portfolio der Migros-Gruppe durchleuchtet.

Dabei habe sich gezeigt, daß die Migros mit Blick auf die Zukunft nicht mehr in jedem Fall die geeignete Eigentümerin ist und einzelne Tochterfirmen außerhalb der Migros bessere Erfolgsaussichten haben werden.

In der Folge hat die Verwaltung des Migros-Genossenschafts-Bundes (MGB) am Donnerstag (1. Februar 2024) entschieden, für Hotelplan und Mibelle einen Verkaufsprozess zu starten.

«Die erfolgreiche Zukunft dieser Unternehmen liegt uns sehr am Herzen. Weil die Migros aufgrund der strategischen Fokussierung nicht mehr die ideale Eigentümerin ist, will sie sorgfältig geeignete Käufer suchen. Wir suchen gezielt neue Eigentümer, die über eine starke Basis verfügen, um die Unternehmen erfolgreich weiterzubringen», so Mario Irminger, Präsident der Generaldirektion des MGB.

Die Tätigkeiten dieser Unternehmen laufen wie bisher weiter. Für die Kunden sowie Geschäftspartner ändert sich nichts, betont die Migros nochmals an dieser Stelle ein weiteres mal und auch hier heißt es zusätzlich:. Sämtliche Geschäfte und Marken laufen zuverlässig weiter. Das garantiert die Migros.

Hotelplan: Größe ist ausschlaggebend im Reisegeschäft

Größe sei ausschlaggebend im Reisegeschäft so die Migros. Hotelplan ist der größte Reiseanbieter der Schweiz, aber hier widerspricht sich Migros gleich selber und behauptet, dies reiche nicht.

Das Reisegeschäft habe sich hin zu sehr großen internationalen oder spezialisierten Reiseunternehmen verschoben, bei denen die Größe ausschlaggebend ist.

Die Hotelplan-Gruppe ist das größte Reiseunternehmen in der Schweiz, global gesehen aber vergleichsweise klein, Synergien zum Kerngeschäft der Migros-Gruppe sind limitiert.

Auch Gottlieb Duttweilers Mission von 1935, nämlich „der bedrängten Schweizer Hotellerie zu helfen und gleichzeitig dem kleinen Mann Ferien zu ermöglichen“, werde inzwischen durch viele Anbieter gut erfüllt, so die Migros.

Nachdem der Reisekonzern die sogenannte Pandemie genutzt hatte, um sich noch erfolgreicher aufzustellen, erzielte Hotelplan 2022 und 2023 Rekordresultate.

Die Migros sieht für das Unternehmen jedoch noch größere Entwicklungschancen bei einem neuen Eigentümer.

Mibelle: „Aus der Migros hinausgewachsen“

Die Unternehmen der Mibelle, welche in den BereichenKörperpflege & Schönheit, Haushaltspflege und Ernährung (Medienmitteilung: „Personal Care & Beauty, Home Care und Nutrition“) tätig sind, seien international sehr erfolgreich.

Das Auslandgeschäft macht mittlerweile ca. 70 Prozent des Umsatzes aus. Zum Kerngeschäft der Migros in der Schweiz besteht zunehmend wenig Bezug. Für die Migros-Supermärkte werden zwar ebenfalls etliche Produkte hergestellt. Dies jedoch – verglichen mit dem weltweiten Absatz – nur in kleiner Stückzahl.

Mibelle sei aus der Migros und über sie hinausgewachsen, weshalb heute weniger Gemeinsamkeiten und Synergien bestehen.

Deshalb erachte die Migros die Entwicklungschancen bei einer neuen Eigentümerschaft als größer.

Die beliebten Migros-Eigenmarken wie die „I am“-Pflegeprodukte oder das Spülmittel „Handy“ werde es auch in Zukunft bei der Migros zu kaufen geben, hergestellt durch die Mibelle unter neuer Eigentümerschaft oder halt sonst durch Drittlieferanten.

Fachmärkte Bike World, Do it + Garden, Melectronics, Micasa, OBI, SportX unter Druck

Mit dem weiter stark wachsenden Digital-Handel seien die Umsätze der stationären Geschäfte im Nicht-Lebensmittel-Bereich zunehmend unter Druck geraten.

Die sogenannte Corona-Pandemie habe diese Entwicklung zusätzlich stark beschleunigt.

Der Verwaltungsrat der Migros Fachmarkt AG habe nach eingehender Analyse entschieden, für die Fachmärkte SportX und Melectronics Verkaufsprozesse zu starten, um besser geeignete Eigentümerschaften außerhalb der Migros-Gruppe zu suchen.

Die restlichen vier Formate werden einer eingehenden Überprüfung unterzogen. Die derzeitige Struktur mit mehreren Betreibern verhindert eine optimale Bearbeitung der jeweiligen Märkte.

Verkaufsprozesse ohne Auswirkungen auf die Kundschaft

Die Migros werde die Verkaufsprozesse umsichtig und sorgfältig durchführen. Diese werden daher insbesondere bei Hotelplan Group und Mibelle Group längere Zeit in Anspruch nehmen.

Für die Kundinnen und Kunden ändert sich in dieser Zeit nichts, die Geschäfte werden normal weitergeführt und durch die Migros garantiert, betont die Migros nun zum dritten mal in ein und derselben Medienmitteilung.

Auch für die Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen seien während des Verkaufsprozesses keine wesentlichen Änderungen zu erwarten.

Abbau von bis zu 1500 Stellen

Durch die strategische Fokussierung der Migros-Gruppe werde leider ein Abbau von bis zu 1500 Vollzeitstellen unvermeidlich sein, so der Konzern. Was verwundert, denn wenn Geschäftsbereiche verkauft werden soll, warum dann Massen-Entlassungen.

Entsprechende Entscheidungen erfolgen vorbehältlich der gesetzlich vorgeschriebenen, vorgängigen Konsultation der Arbeitnehmendenvertretungen.

Die Migros werde ihre Verantwortung als soziale Arbeitgeberin wahrnehmen und alles daransetzen, um Kündigungen möglichst zu vermeiden und betroffene Mitarbeiter aktiv dabei unterstützen, eine neue Stelle inner- oder außerhalb der Migros-Gruppe zu finden.

Allein in der Migros-Gruppe seien derzeit rund 1400 Stellen offen, Arbeits- und Fachkräfte sind überall sehr gesucht.

Ein Teil des Stellenabbaus werde zudem über die natürliche Fluktuation aufgefangen werden können. Bei „Bestsmile“ wird es zu einem Abbau von voraussichtlich 40 Stellen kommen. Um die Marktführerschaft für Zahnkorrekturen in der Schweiz zu halten, hat das Unternehmen eine Restrukturierung geplant, welche die Schliessung von neun Standorten notwendig macht.

Belastung des operativen Ergebnisses von 500 Mio. Franken

Im Rahmen der laufenden Überprüfung des Portfolios stellte die Migros-Gruppe einen Wertberichtigungsbedarf von rund 500 Mio. Franken fest.

Dieser betrifft insbesondere Logistik-Liegenschaften, IT-Projekte und verschiedene weitere Vermögenswerte, die aufgrund veränderter Marktbedingungen einen tieferen Bilanzwert aufweisen und korrigiert werden.

Die Wertberichtigungen belasten entsprechend das Unternehmensergebnis des Jahres 2023. Dennoch wird die Migros-Gruppe für das vergangene Geschäftsjahr ein positives Ergebnis ausweisen können.


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(pd, rm)

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