
Mietexzesse in Visp?Ein Gespenst geht um
Kolumne von Thomas Baumenn, Ökonom und Freier Autor (u.a. Tagesanzeiger, NZZ, Weltwoche)
Ein Gespenst geht um in Visp: Das Gespenst von Mietzinsexzessen. Der Walliser Bote versteigt sich gar zur Forderung nach einer staatlichen Kontrolle der Rendite von Mietimmobilien. Wohlgemerkt: Die Vermieter sollen nicht bloss die Mieten melden, sondern zu Handen des Staates auch noch eine Renditeberechnung durchführen – als hätten sie nichts Besseres zu tun.
Doch was ist passiert – ganz nüchtern betrachtet? Der grösste industrielle Arbeitgeber im Oberwallis, die Lonza floriert und expandiert. Oder ökonomisch formuliert: Infolge eines exogenen, unerwarteten Schocks – der Corona-Pandemie und der Entwicklung eines Impfstoffs – verschob sich die (marginale) Profitkurve der Lonza nach oben. Die Konsequenz: Bisher unprofitable Arbeitskräfte wurden profitabel – entsprechend baute die Lonza den Personalbestand aus.
Doch dabei bleibt es natürlich nicht – diese Arbeitskräfte leben schliesslich nicht von Luft und Liebe alleine, sie konsumieren auch: Essen, Unterhaltung, Wohnraum. Oder wie es Max Frisch sagte: „Wir haben Arbeitskräfte gerufen – es kamen Menschen.“ Und Menschen wollen eben essen und wohnen. Der Boom bei der Lonza schlägt daher auch auf andere Branchen und Unternehmen durch: Restaurants verzeichnen plötzlich ein Mehr an Gästen, die zusätzlichen Arbeitskräfte drängen in die Läden zum Einkaufen, Autogaragen haben mehr Reparaturaufträge usw.
Wo eine Mehrnachfrage auf ein konstantes Angebot trifft, steigen die Preise. Dies ist kurzfristig sicher auf dem Immobilienmarkt der Fall. Es macht auch Sinn: Wo ein Gut knapp wird, sollte und muss damit haushälterischer umgegangen werden. Konnte sich früher eine Familie eine 5-Zimmer-Wohnung leisten, reicht es heute nur noch für eine 4-Zimmer-Wohnung. Oder: Ein Zimmer in der 5-Zimmer-Wohnung muss wegen der gestiegenen Mietpreise an einen Lonza-Arbeiter untervermietet werden. Verdichtung ist das Leitmotiv der Politik – nicht nur in Visp, sondern in der gesamten Schweiz: Mehr Menschen auf demselben Raum, so dass alle ein Dach über dem Kopf haben und niemand auf der Strasse steht. Steigende Preise haben genau diesen Effekt, indem sie die Nachfrage dämpfen. Sie sind daher vielmehr Segen als Fluch.
Der ganze Kreislauf begann bei der Lonza: Die Profite stiegen aufgrund eines exogenen Schocks. Bald darauf steigen auch die Profite bei den Restaurants – oder würden sie auf jeden Fall ohne Corona-Pandemie gestiegen sein – und den Läden. Denn mit kurzfristig konstantem Personalbestand wird plötzlich mehr verkauft: Die Laden- und Restaurantbesitzer freut´s. Und auch die Vermieter freuen sich: Sie können für ihre Wohnungen plötzlich mehr Miete verlangen.
Und die Arbeitnehmer? Auch die Mehrnachfrage nach Arbeitskräften nimmt zu, nicht nur bei der Lonza, sondern eben auch bei anderen Firmen. Damit steigen Jobchancen und tendenziell auch die Löhne. Doch steigen gleichzeitig auch die Lebenshaltungskosten: Das Restaurant erhöht vielleicht die Preise, wer die Wohnung wechseln muss, ist mit steigenden Mietkosten konfrontiert.
Arbeitnehmer, die für 5000 Franken im Monat bei Lonza arbeiten, tun dies, weil die Wohnung 1000 Franken kostet. Steigen die Wohnkosten auf 2000 Franken, benötigen Sie einen Lohn von 6000 Franken – sonst lohnt es sich für sie nicht mehr, nach Visp zu ziehen. Die Welle steigender Profit, die bei der Lonza ihren Anfang nahm und sich dann durch die ganze regionale Wirtschaft durcharbeitete, schlägt jetzt wiederum auf die Lonza zurück und führt dort mit steigenden Personalkosten zu einem Sinken der Überprofite.
Es bleibt dabei: Die ganze Geschichte nahm mit einem Anstieg der Profite seinen Anfang. Diese Profite verschwinden im Zeitverlauf nicht einfach – sie verteilen sich bloss auf mehr Akteure. Unter anderem auch auf die Immobilienbesitzer. Greift hier der Staat ein, und verbietet es den Immobilienbesitzern, auch ihren Teil an den steigenden Profiten einzuheimsen, dann verbleiben die Profite eben bei der Lonza.
Bis sich ein neues Gleichgewicht eingespielt hat nach einem derart heftigen Profitschock wie er bei der Lonza stattfand – man schaue sich nur einmal den Aktienkurs an – dauert es seine Zeit. Während dieser Zeit sind die Märkte im Aufruhr, kommt es temporär zu Ungleichgewichten. Der eine erhält mehr Lohn und kann zu demselben Mietzins wohnen wie immer schon. Der andere muss plötzlich doppelt soviel Miete bezahlen. Das ist ungerecht – durchaus. Aber ist das Leben denn gerecht?
Die Moral von der Geschicht: Mietzinsexzesse sind eben nur ein Gespenst. Sie zeigen an, dass momentan Knappheit herrscht. Aber eben gerade darum, weil die diese Knappheit anzeigen, wird es mittelfristig zu einer Erhöhung des Angebots kommen: Es werden vermehrt Wohnungen gebaut werden. Das Gespenst geht um, bis die Wirtschaft ein neues Gleichgewicht gefunden hat. Und dann verschwindet es wieder – ganz von selbst. So funktioniert Wirtschaft. Greift hier der Staat ein, dann dauert es nur umso länger, bis ein neues Gleichgewicht gefunden wird – wenn überhaupt. Die langen Warteschlangen bei Besichtigungen von Genossenschafts- und städtischen Wohnungen in den Ballungszentren zeigen eben gerade, dass es kein Gleichgewicht gibt. Sozialistische Rezepte haben primär eben immer schon nur etwas produziert: Warteschlangen.
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