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SwissRailvolution erfreut über Löschberg-Entscheid, aber auch mit Kritik

SwissRailvolution erfreut über Löschberg-Entscheid, aber auch mit Kritik

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Der Bundesrat setzt positive Signale in der West- und Ostschweiz sowie am Lötschberg. Doch trotz 27 Mia. Franken wird die Bahn aber bis 2035 weder Umwelt, Gesellschaft noch Wirtschaft einen nennenswerten Nutzen gebracht haben, so die Vereinigung SwissRailvolution.

Weiter schreibt sie allerdings auch Kritisches: Die neue Ausrichtung des Bundesrates, auch Neubaustrecken im Fernverkehr zu realisieren, macht Hoffnung. Ein Gesamtkonzept fehlt aber nach wie vor und der Unfall am Gotthard zeigt eine weitere Schwäche der Strategie.

BAV und Bundesrat beharren darauf, das Fahrgast-Potenzial in Anzahl Wege zu messen, statt in den viel aussagekräftigeren Personenkilometer

Der Bundesrat macht einen kleinen Schritt in die richtige Richtung, der jedoch nicht ausreicht, damit die Bahn einen bedeutenden Beitrag zu den Zielen des Bundes leisten kann. Indem das BAV weiterhin behauptet, das grösste Potenzial liege in den Agglomerationen (Seite 37 der Botschaft) auf der Basis irrelevanter Zahlen, die individuelle Fahrten von 2 km mit solchen von 2’000 km gleichstellen, ignoriert es die andere grosse Hälfte der Personenkilometer (Pkm), die sich auf den nationalen und internationalen Hauptlinien befinden. Die Konzentration des Bundesrats auf kurze und mittlere Distanzen bleibt daher falsch. Diese Meinung von SwissRailvolution wird in der Vernehmlassung auch von einigen Kantonen, der SBB, RhB, Thurbo, SEV, VöV und vielen anderen massgeblichen Organisationen geteilt, wie das Ergebnis der Vernehmlassung zeigt.

Bundesrat Albert Rösti erwähnte, dass er eine Alternative zum Auto und zum Kurzstreckenflugverkehr auf der Schiene anbieten wolle, was von SwissRailvolution begrüsst wird. In der Botschaft des Bundesrates ist aber nicht klar, wie dies erreicht werden soll.

Kein Gesamtkonzept

Die Zückerli-Politik geht weiter: Jede Region bekommt etwas, damit sie stillhält. Doch was wie ein Geschenk aussieht, schwächt das Gesamtsystem Bahn. Es fehlt ein Gesamtkonzept, ohne das Infrastrukturausbauten nur beschränkten Nutzen stiften.

Mit einem Gesamtkonzept hätte man z.B. die Verschlechterungen im Fahrplans 2025 der Westschweiz und im Entwurf zum Fahrplan 2035 grösstenteils vermeiden können, da man die Probleme rechtzeitig bemerkt hätte. Zudem wird der Fernverkehr zu wenig beschleunigt.

Doch nur wenn der Fernverkehr stimmt, stiften auch Regional- und S-Bahnen den optimalen Nutzen. Der Ausbau und die Beschleunigung der großen nationalen und internationalen Hauptstrecken als Zubringer bringt z.B. den kleineren Bahnen wie der Matterhorn-Gotthard-Bahn die meisten Fahrgäste, gemessen in Pkm. Das Gesamtkonzept sollte ebenfalls grenzüberschreitende Neubaustrecken vorsehen, um schneller nach Frankfurt, Stuttgart, München, Mailand, Lyon und Paris zu gelangen.

Paradebeispiel Zugentgleisung im Gotthard-Basistunnel

Der Unfall im Gotthard-Basistunnel (GBT) zeigt, welche weiteren Folgen das fehlende Gesamtkonzept des Bundes hat: Wäre der verunglückte Zug einige Kilometer früher im Raum Bellinzona entgleist, wäre die Panoramastrecke ebenso wie der GBT wochenlang nicht befahrbar gewesen.

Denn alle Züge müssen durch Bellinzona, was zu einer hohen Belastung der Bevölkerung und zu einer Schwachstelle im Netz führt. Je mehr Güter und Personen auf die Schiene verlagert werden, desto empfindlicher reagiert die Wirtschaft auf Unterbrüche wie 2017 in Rastatt, 2021 zwischen Lausanne und Genf oder heute 2023 am Gotthard.

Der Entscheid des Bundesrates, eine Neubaustrecke Morges – Perroy zu priorisieren, ist richtig und wird von SwissRailvolution begrüsst. Er muss aber in ein Gesamtkonzept eingebettet sein, das alle Schwachstellen auf den Nord-Süd- und Ost-West-Achsen von Grenze zu Grenze identifiziert und in Zusammenarbeit mit den Nachbarländern in weiteren Etappen realisiert.

Dazu gehören eine Umfahrung von Bellinzona, Neubaustrecken zwischen Lugano und Mailand sowie zwischen dem GBT-Nordportal und Zimmerberg. Auch zwischen Lausanne und Genf braucht es nicht nur eine Neubaustrecke von Morges nach Perroy, sondern auf der ganzen Länge, weshalb SwissRailvolution hofft, dass der erste Abschnitt Morges – Perroy auch aufwärtskompatibel realisiert wird.

Größter Schwachpunkt im Schweizer Schienennetz

Nicht zuletzt ist die dringend notwendige Umfahrung des größten Schwachpunkts im Schweizer Schienennetz, des Bahnhofs Olten, leider immer noch nicht in Planung, und dessen Fahrplankonzept in Richtung Zürich, wie in der ganzen Schweiz, unklar.

SwissRailvolution will damit natürlich nicht die vom Bundesrat vorgesehenen Anpassungen der Publikumsanlagen in Olten in Frage stellen, sondern an das größte Problem in Olten erinnern: Bei einem ähnlichen Ereignis wie in Rastatt oder im GBT würde das gesamte Schweizer Netz zusammenbrechen.

Ein Versprechen mit hohen Kosten und garantierten Verkehrsbehinderungen

Die Politik, nur auf das bestehende Netz zu setzen, hat in den letzten zehn Jahren zu immer mehr Zugausfällen, schlechterer Pünktlichkeit, grossen Verzögerungen bei Baustellen und höheren Baukosten geführt.

Die Politik der kleinen Schritte – ohne Gesamtkonzept – des BAV erweist sich auch oft als deutlich teurer als komplette Neubaustrecken, die ein deutlich besseres Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen und unabhängig vom laufenden Betrieb deutlich einfacher gebaut werden können.

Die Bahn 2000, damals als Gesamtkonzept von der SBB geplant, hat bis 2010 mit relativ bescheidenen 6 Mia. Franken mehr Marktanteile gewonnen als das BAV bis 2035 mit 27 Mia. Franken gewinnen will (ohne NEAT-Kosten!).

Durch die mangelnde Attraktivität der Bahn im Fernverkehr kann auch die Verlagerung vom Flugzeug und Auto auf die Bahn nicht erreicht werden.

Schlußfolgerung

SwissRailvolution begrüsst die rasche Umsetzung der Motion 22.4263 «Leistungsfähige und attraktive Ost-West-Achse der Bahn» durch den Bundesrat, welche eine Beschleunigung von Winterthur – St. Gallen sowie Bern – Lausanne vorsieht, sowie auch den ersten Abschnitt der Neubaustrecke zwischen Lausanne und Genf.

Wie diese Infrastrukturen aber in ein weitsichtiges Gesamtkonzept mit Fahrplan, Geschwindigkeiten, Bahnknoten und Einbindung ins europäische Netz integriert werden können, muss noch dringend in der Perspektive Bahn 2050 geklärt werden.

Aber auch diese Projekte dürfen keine kurzfristigen Investitionen sein, die Mehrkosten auf zukünftige Generationen verschieben.

Aus all diesen Gründen sollte der Bundesrat so schnell wie möglich Antworten auf die Motion 22.4258 «Verkehrskreuz Schweiz» haben und nicht erst 2026. Ansonsten besteht die Gefahr, dass bereits laufende Projekte durch unumgängliche Anpassungen zur Sicherstellung der Aufwärtskompatibilität weiter verzögert werden.


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(pd, rm)

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