
Umnutzung von Erst- in Zweitwohnungen steigt an: Wohnraum-Knappheit
Sogar von Mietexzessen ist die Rede. Wobei einige diese für ein Gespenst halten, oberwalliser Parteien hingegen eine Petitionen gegen diese initiiert haben (Walliser Zeitung berichtete) So oder so: Die Immobilienpreise schießen hoch:
Das Zweitwohnungsgesetz von Franz Weber (†), der notabene unter anderem in Paris eine Zweitwohnung hatte sowie eine Dritt-, eine Viert- und eine Fünft-Wohnung besaß, wirkt.
Der Bau neuer Zweitwohnungen ist weitgehend gestoppt.
Die Auswirkungen des Zweitwohnungsgesetz auf die Bauwirtschaft und die Hotellerie sind verhältnismäßig gering.
Allerdings: Für Einheimische und Arbeitskräfte im Berggebiet ist es schwieriger geworden, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das ist nicht nur auf das ZWG zurückzuführen.
Zu diesem Ergebnis kommt das ZWG-Monitoring des Bundesamts für Raumentwicklung ARE und des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO.
Die Ergebnisse des Monitorings zeigen, daß die Immobilienpreise in touristischen Destinationen stark gestiegen sind.
Dies sei in erster Linie darauf zurückzuführen, daß Zweitwohnungen stärker nachgefragt werden.
Dafür gäbe es mehrere Gründe, so das Bundesamt für Raumentwicklung ARE:
Das niedrige Zinsumfeld habe das Anlegen in Immobilien attraktiv gemacht, und die Covid-Pandemie sowie das ortsunabhängige Arbeiten hätten die Nachfrage nach Zweitwohnungen angeheizt, so das Amt.
Was es erstaunlicherweise nicht nennt, ist, daß die aktuelle Geldentwertung (Inflation) in der Schweiz aber besonders auch im Ausland zu mehr Investitionen in Sachwerten führten wie Immobilien (Betongold).
Der in der ersten Wirkungsanalyse von 2021 festgestellte Angebotsüberhang an Zweitwohnungen ist mancherorts nahezu verschwunden.
Strukturen im Berggebiet verändern sich
In der Folge habe auch die Nachfrage nach altrechtlichen Wohnungen zugenommen. Dabei handelt es sich um Wohnungen, die schon vor der Annahme der Zweitwohnungsinitiative im Jahr 2012 bestanden.
Sie sind in der Nutzung frei und werden in vielen Fällen als Erstwohnungen genutzt. Für Eigentümer sei es jedoch finanziell äußerst attraktiv, altrechtliche Wohnungen als Zweitwohnungen zu verkaufen oder zu vermieten.
Für die Einheimische, Zuzüger und Angestellte im Dienstleistungssektor seien dadurch die Wohnungspreise in den touristischen Gebieten häufig unerschwinglich geworden.
Verdrängung und Abwanderung als Folge der Zweitwohnungsinitiative
Die Umnutzung von Erst- zu Zweitwohnungen und die Schwierigkeit, bezahlbaren Wohnraum zu finden, führen zu Verdrängung und Abwanderung, so das Bundesamt für Raumentwicklung ARE.
Und: Die strukturellen Veränderungen im Berggebiet, die schon vor dem ZWG eingesetzt haben, nehmen so weiter zu.
ARE-Statistik: Ältere ziehen weg, Erwerbstätige zügeln ebenfalls
Das Monitoring zeigt weiter, daß ältere Menschen tendenziell in zentralere Talgemeinden oder in die nächstgelegene Agglomeration (z. B. Visp-Brig, Chur, Martigny, Monthey, Interlaken) umziehen.
Erwerbstätige hingegen ziehen in Gemeinden, in denen die Mieten erschwinglich oder der Erwerb einer Wohnung möglich sind und von denen sie zum Arbeitsort pendeln können.
Im Kanton Bern sind dies zum Beispiel Zweisimmen, Frutigen, Interlaken und Spiez. Im Kanton Graubünden sind es Chur, Zernez, Poschiavo, das Unterengadin oder gar Tirano (I) und Chiavenna (I).
Im Baugewerbe und in der Hotellerie setzt sich der Strukturwandel hin zu größeren Betrieben fort. Die Verlagerung der Bauwirtschaft Richtung Zentren zeichnete sich schon vor dem ZWG ab. Zu regionalwirtschaftlichen Einbrüchen oder mehr Arbeitslosen kam es wegen des ZWG nicht.
Handlungsbedarf: bezahlbarer, lokal verfügbarer Wohnraum
Die Zahl der neu gebauten touristisch bewirtschafteten Wohnungen hält sich bisher in Grenzen. Damit sind Ferienwohnungen gemeint, die nicht allein von ihren Eigentümerinnen und Eigentümern genutzt werden dürfen, sondern auch an andere Personen vermietet werden müssen.
Die Analysen zeigen, daß solche Wohnungen künftig an Bedeutung gewinnen dürften, so das ARE. Laut ZWG dürfen Zweitwohnungen in beschränktem Umfang bei Umnutzungen von Hotels gebaut werden oder um Investitionen in Hotels quer zu finanzieren. Wie das Monitoring zeigt, wurde von diesen Möglichkeiten bisher wenig Gebrauch gemacht.
Gesetzliche Eingriffe um Folgen des Zweitwohnungsgesetzes zu mildern
Das ZWG sieht vor, daß Kantone und Gemeinden Maßnahmen ergreifen können, um Umnutzungen von Erst- zu Zweitwohnungen einzuschränken.
Das sind zum Beispiel vorgeschriebene Erstwohnungsanteile bei Umbauten und Ersatzneubauten oder die Vergabe von Bauland im Baurecht mit Vorgaben zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.
Einige wenige Gemeinden sind daran, derartige Maßnahmen umzusetzen. Der Bund unterstützt die Kantone und Gemeinden dabei, heißt es. Dies unter anderem mit Informationen, etwa mit einer Informationsplattform des ARE zum ZWG, die laufend weiterentwickelt wird.
Darauf sind Planungshilfen, wegweisende Gerichtsurteile oder Anforderungen an die Bewilligung von Wohnungen zu finden.
Das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) hat jüngst den Leitfaden «attraktives Wohnen in Berggebieten» publiziert, der den Gemeinden helfen soll, eine aktive Wohnstandortpolitik zu gestalten.
Was ist das Monitoring über den Vollzug und die Auswirkungen des ZWG?
Artikel 19 des Zweitwohnungsgesetzes vom 20. März 2015 (ZWG) verpflichtet das ARE, in Zusammenarbeit mit dem SECO, regelmässig die Auswirkungen des Gesetzes auf die touristische und wirtschaftliche Entwicklung der betroffenen Regionen zu analysieren.
Am 12. Mai 2021 hat der Bundesrat die erste Analyse gutgeheissen. Mit dem vorliegenden Monitoring-Bericht wird über den Vollzug und die Wirkungen des ZWG informiert.
Dieses Monitoring soll Grundlagen für künftige Wirkungsanalysen schaffen. Die nächste ist für 2025 geplant.
(pd, rm)