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Das Wallis im Ukraine-Fieber

Das Wallis im Ukraine-Fieber

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Eine Kolumne von Thomas Baumann

Jetzt ist also auch noch die Zeitung „Walliser Bote“ auf den Ukraine-Zug aufgesprungen und hat sich eine Kolumnistin aus der Ukraine geangelt, welche gleich mal forsch verkündet: „Unsere Werte sind die gleichen wie eure“. Das mag durchaus stimmen, denn Menschen überall auf den Globus teilen grundsätzlich viele gemeinsame Werte – nur: Nach bloss ein paar Wochen zu behaupten, man kenne die Werte eines fremden Landes, zeugt nicht gerade von einem Mangel an Selbstbewusstsein, um es einmal diplomatisch zu formulieren.

Apropos Zug: Ihr Kolumnist erinnert sich, wie er vor rund zwanzig Jahren in einem Flugzeug sass, bereit zum Abflug. Da meldete sich der Pilot: „Good afternoon, ladies and gentlemen, here is your pilot speaking. Welcome on our flight to…“ (drei Sekunden Pause) „to…“ (drei Sekunden Pause) „to our destination“.

Ganz ähnlich muss es dem „Walliser Boten“ mit seiner neuen Kolumnistin ergehen. Da steht sie angeblich „auf der Aussichtsplattform an einer Strasse in Leukerbad“ und verkündet uns: „die Aussicht auf das Tal raubt mir den Atem“. Nun, die Aussicht auf das Dala-Tal raubt einem nicht unbedingt den Atem, ausser man stehe auf einer Aussichtsplattform des Thermalquellen-Stegs – aber der liegt bekanntlich nicht an einer Strasse. Womöglich könnte einem auch der Aussicht auf die Schlucht unterhalb von Leukerbad bei der Station Russengraben den Atem rauben – diese liegt aber wiederum bereits auf dem Gemeindegebiet von Inden. Und als die frischgebackene WB-Kolumnistin von den Reben im Tal spricht, kann noch weniger das Dala-Tal bei Leukerbad gemeint sein…

Nein, die gute Frau steht schlicht und einfach an der Strasse etwas oberhalb von Leuk-Stadt und schaut ins Rhone-Tal hinunter. Nichts da von einer „Aussichtsplattform in Leukerbad“. Und nein, von Leukerbad aus kann man definitiv nicht ins Rhonetal hinunterschauen – sonst könnte man ja auch Leukerbad vom Rhonetal aus sehen.

Über ihre Flucht in die Schweiz schreibt sie, wie sie und ihre Kinder sich „durch die wunderschönen Landschaften Sloweniens und über die ungarischen Felder in die Schweiz aufmachten.“ Zuerst Slowenien und dann Ungarn? Das wäre dann doch ein doch ziemlich grosser Umweg, so dass sie fast von Glück reden kann, nicht aus Versehen direkt nach Moskau gefahren zu sein. Oder meinte sie vielleicht die Slowakei?

Gut, man sollte auch hier die Proportionen nicht aus den Augen verlieren: Was sind ein paar Verschreiber, journalistische Schludrigkeiten, im Vergleich zu den Schrecken des Krieges, dem sie glücklicherweise entronnen. In diesem Sinne auch von dieser Redaktion ein herzliches Willkommen. Und dass es sich bei ihr tatsächlich um eine Profi-Journalistin handelt, zeigen schon die saloppen Verwechslungen geographischer Ort.

Der „Walliser Bote“ befindet sich seit neuestem ja im Besitz seiner Chefredaktion – hat man da als erstes vielleicht gleich mal das Korrektorat weggespart? Oder war man so berauscht von der neuen Ukraine-Connection, dass darüber ganz in Vergessenheit geriet, dass man eigentlich noch ein Korrektorat hätte? Bei solchen Mängeln in der Corporate Governance kann unsere Empfehlung für die WB-Aktie (sofern sie denn gehandelt würde) nur lauten: Untergewichten!

Und ein kleiner kultureller Hinweis an die neue WB-Kolumnistin (weil man nach ein paar Wochen Aufenthalt eben doch noch nicht alles kennt): Hierzulande ist Kartographie ein altehrwürdiges Handwerk. Schweizer sind zu Recht stolz auf die Qualität ihres topographischen Kartenmaterials. Dass dies durchaus seine Berechtigung hat, wird sie spätestens dann merken, wenn ein Wanderweg wieder einmal mitten durch eine Felswand führt – gerade im Dala-Tal gibt es einige von dieser Art. Geographische Ignoranz ist hier definitiv nicht zu empfehlen!

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