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Zermatter Abfallsaga

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Eine Analyse von Thomas Baumann

Die Gemeinde Zermatt pokert hoch: Anstatt das bewährte und preisgekrönte Wertstoff- und Abfallsammlungssystem „Alpenluft“ des bisherigen Anbieters Schwendimann AG aus Münchenbuchsee weiterzubetreiben, will man ab dem 1. Oktober dieses Jahres eine eigene Public-Private-Partnerschaft für die Wertstoff- und Abfallsammlung auf die Beine stellen. Dies ist ein Entscheid, der etliche Frage aufgeworfen hat, denn das bisherige System mit Modellcharakter erhielt viel Anerkennung weit über die Gemeindegrenzen hinaus.

Wie kam es zu diesem Entscheid, eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit relativ brüsk zu beenden?

Unter der Prämisse, dass der Gemeinderat rein im Sinne des Gemeinwohls handelt, drängt sich unweigerlich die Hypothese auf, dass der bisherige Anbieter Schwendimann AG zu teuer war. Schwendimann AG war der scheinbare Platzhirsch, etabliert und praktisch ausser Konkurrenz. Da liegt die Versuchung nahe, aus dieser Situation Profit zu schlagen.

War der brüske Abbruch der Ausschreibung seitens der Einwohnergemeinde Zermatt somit eine Verzweiflungstat – ein Befreiungsschlag, um sich dem ‚Würgegriff‘ der Schwendimann AG zu entziehen?

Vieles spricht gegen diese Hypothese. Da wären zum Beispiel die bisherigen Mitarbeiter der Schwendimann AG vor Ort in Zermatt. Nach dem Entscheid der Gemeinde, die Abfall- und Wertstoffsammlung zukünftig in Eigenregie durchzuführen, gestatte Schwendimann AG der Gemeinde, ihre Mitarbeiter zu übernehmen. Hätte Schwenimann AG die Einwohnergemeinde Zermatt wirklich in den ‚Würgegriff‘ nehmen wollen, dann hätte sie dazu kaum Hand geboten.

Schwendimann AG war der günstigste Anbieter

Auch die nackten, finanziellen Kennzahlen sprechen gegen die Hypothese, dass Schwendimann AG zu teuer war.

An der Urversammlung der Gemeinde Zermatt vom 14. Dezember 2010 wurde die zeitlich unbefristete Auslagerung (Outsourcing) der Abfallentsorgung mit 202:4 Stimmen beschlossen. Die vorgebrachten Argumente waren damals, dass (1) die Betriebskosten der eingereichten Offerten jährlich CHF 0.3 Millionen tiefer seien als im Falle eine Inhouse-Lösung, dass (2) es der EWG Zermatt am Know How mangelt und dass (3) „praktisch keine Gemeinde […] die Abfallentsorgung in Eigenregie durchführt“.

Daraufhin wurde der Auftrag in einem weitherum beachteten Entscheid an Schwendimann AG als Gewinner der öffentlichen Ausschreibung vergeben.

Der unterlegene (bisherige) Anbieter LET-Con.AG schlug dagegen den Rechtsweg ein – verlor aber letztlich vor Gericht.

Schwendimann AG ist ein innovativer Anbieter, der gemäss eigenem Bekunden bei Ausschreibungen oft ausgeschlossen werde, da keine unkonventionellen Varianten erwünscht seien. Wie kam Schwendimann vor etwas über zehn Jahren also zum Handkuss in Zermatt? Angesichts der jüngsten Vorkommnisse stellt sich die Frage, ob schon damals alles mit rechten Dingen zu- und herging. Auch dass sich der unterlegene Konkurrent juristisch wehrte, könnte ein entsprechendes Indiz sein.

Im Bericht steht hingegen: „Nachdem Zermatt den Auftrag an Schwendimann AG vergeben hatte, legte der frühere Auftragsinhaber aufgrund eines formalen Fehlers in der Ausschreibung [Hervorhebung durch die Red.] Einsprache ein.“

Materiell ist somit nichts zu beanstanden. Auch Schwendimann AG gibt an, gemäss den gegebenen Kriterien das günstigste Angebot abgegeben zu haben und die Gemeinde selbst bestätigt im Protokoll der Urversammlung vom 14. Dezember 2010 dass das Angebot von Schwendimann in Frankenbeträgen etwa auf der Höhe des Konkurrenzangebots lag („eingereichte Offerte jährlich ca. 0.3 Mio. billiger“ [als eine Inhouse-Lösung, die Red.]). Schwendimann AG und Let-Con.AG boten damals also etwa einen identischen Preis, der in der Ausschreibung mit 50% gewichtet wurde, währenddessen Schwendimann bei den ökologischen und technischen Kriterien (mit einem Gewicht von 30%) wohl obenaus schwang. Die Gemeinde Zermatt bestätigt denn auch in der Publikation ‚Zermatt Inside‘ vom Februar 2012 unmissverständlich: „Der Gemeinderat hat nach der durchgeführten Neuevaluation des wirtschaftlich günstigsten Angebots […] beschlossen, den Auftrag gemäss den Zuschlagskriterien an Schwendimann AG, Münchenbuchsee, zu vergeben.“ Schwendimann war somit 2010 der wirtschaftlich günstigste Anbieter, der trotz ökologischem Mehrwert einen Preis etwa in der Grössenordnung des Konkurrenten bot.

Ungereimtheiten in der Argumentation der Gemeinde

Auf Nachfrage bestätigt Schwendimann, in der Ausschreibung für den Abfall-Entsorgungsauftag 2022-2032 den Preis gegenüber der der Offerte 2010 nominal um weitere rund fünf Prozent gesenkt zu haben – und dies trotz Teuerung, Lohnsteigerung seit 2010. Die Einwohnergemeinde Zermatt wollte keine Zahlen nennen.

Dennoch ist der Zermatter Gemeinderat mit dem Vorwurf an die Öffentlichkeit getreten, Schwendimann hätte überrissene Preise verlangt. Zwar nicht in der Ausschreibung an sich, wo sich der Vorwurf wohl kaum belegen lässt, sondern bei der Offerte für das bisherige Inventar. Das Ziel ist einfach zu durchschauen: Damit soll der Eindruck erweckt werden, die ‚böse‘ Schwendimann AG hätte versucht, die Gemeinde Zermatt abzuzocken. Dass das Publikum wohl grösstenteils nicht zwischen der Ausschreibung und Inventar unterscheidet, ist dabei Kalkül: Hauptsache, es glaubt das Narrativ des Gemeinderats, dass Schwendimann überrissene Preise verlangt.

Dass das Argument des Gemeinderats bloss vorgeschoben ist, merkt man spätestens daran, dass der Auftrag für die Beschaffung des Inventars nicht etwa ausgeschrieben wurde – sondern die Vergabe freihändig erfolgte, obwohl sich bei einer Ausschreibung nachweislich tiefere Preise erzielen lassen als bei einer freihändigen Vergabe. Auch zeitlich bestand keine Dringlichkeit für eine freihändige Vergabe: Für die Beschaffung von Entsorgungsfahrzeugen, Pressen und Mulden ist ein Dreivierteljahr mehr als genug Zeit.

Bisher hat der Gemeinderat 2.4 Millionen von insgesamt vorgesehenen 3.1 Millionen Franken für das Inventar ausgegeben, davon eine halbe Million für drei Entsorgungsfahrzeuge und 1.9 Millionen für weitere Gerätschaften. Das zum Kauf angebotene Inventar der Schwendimann AG umfasste allerdings zwölf Fahrzeuge. Rechnet man den Kaufpreis der drei auf zwölf Fahrzeuge hoch, unterscheidet sich der Kaufpreis des Inventars kaum noch vom Angebot von Schwendimann, das dieser Zeitung vorliegt. Auch hier scheint das Argument der Einwohnergemeinde Zermatt bloss vorgeschoben.


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