
Journalisten und unsinnige Sprachbilder
Eine Kolumne von Thomas Baumann
Heute hebt ein Bericht auf SRF.ch über die Produktion von Kleidern mit folgenden Worten an: „Die Ozeane versinken im Plastik“. Wirklich?
Rechnen wir mal nach: Würde man die gesamte Weltbevölkerung im Genfersee „versenken“, dann würde der Wasserspiegel (durch die Wasserverdrängung) bloss um etwa 70 Zentimeter steigen.
Der „Durchschnittsmensch“ global (inklusive Kinder) ist etwa 50 Kilogramm schwer. Und weil der Mensch zum grössten Teil aus Wasser besteht, entsprechen die 50 Kilogramm etwa 50 Litern.
In demselben Bericht lesen wir weiter, dass die Menschheit pro Jahr etwa 150 Millionen Tonnen oder 150 Milliarden Kilogramm Plastikabfälle produziert.
150 Milliarden Kilogramm entsprechen etwas weniger als 20 Kilogramm pro Kopf bei einer Weltbevölkerung von 8 Milliarden – jedes Jahr. Dies sind jedoch die Plastikabfälle insgesamt, nicht diejenigen, die im Meer landen.
Wenn also – hoch geschätzt – die Hälfte davon im Meer landet, dann wären das 10 Kilogramm pro Kopf und Jahr.
In fünf Jahren wären das soviel wie die ganze Weltbevölkerung zusammen auf die Waage bringt. Und eine solche Menge führt – wie gesehen – bloss dazu, dass der Wasserspiegel des Genfersees um 70 Zentimeter ansteigen würde.
Der Plastikkonsum steigt mit zunehmendem Wohlstand. Vor 50 Jahren waren die Entwicklungsländer noch bitter arm – da gab es dort kaum Plastik. Erst seit 20-30 Jahren werden auch dort grosse Mengen Plastikabfälle produziert.
Unterstellen wir dennoch, dass pro Kopf der Weltbevölkerung in den letzten 50 Jahren jedes Jahr dieselbe Menge an Plastikabfällen wie heute produziert wurde. (Also eine krasse Überschätzung.) Da die Weltbevölkerung von 3,7 Milliarden im Jahr 1970 auf die heutigen rund 8 Milliarden stieg, kommt man auf eine totale kumulierte Abfallmenge von etwa 5500 Milliarden Tonnen, wovon annahmegemäss (siehe oben), die Hälfte im Meer landet. Das ist etwa sieben Mal so viel wie die heutige Weltbevölkerung wiegt. Im Genfersees versenkt, würde dies zu einem Anstieg des Wasserspiegels von etwa 4 Metern führen.
Die gesamte Oberfläche aller Meere beträgt rund 361 Millionen Quadratkilometer. Die Oberfläche des Genfersees beträgt 580 Quadratkilometer. Die Oberfläche der Weltmeere ist also rund 600’000 mal grösser als diejenige des Genfersees.
Würde man diese gesamte Plastikmenge im Meer versenken, würde dies zu einem Anstieg der Meeresspiegels von 7 Tausendstel Millimetern führen, also 0.007 Millimetern. Damit könnte man das Mittelmeer mit einer 1 Millimeter grossen Plastikschicht zu überziehen. Aber das Mittelmeer macht weniger als ein Prozent der gesamten Meersoberfläche aus. (Wobei die Zahl von 5500 Milliarden Tonnen zudem noch deutlich zu hoch geschätzt sein dürfte.)
Selbst wenn die Vorstellung eines von einer feinen Plastikschicht überzogenen Mittelmeers zu schockieren vermag: Die Meere „versinken“ nicht im Müll. Es ist vielmehr nach wie vor umgekehrt: Plastikmüll versinkt im Meer.
Guter Journalismus benennt die Dinge wie sie sind.
Ob Plastikmüll im Meer wirklich ein Problem ist oder nicht, darüber kann man diskutieren. Dass Plastikmüll – unabhängig davon, ob er schwere Umweltschäden verursacht oder nicht – eher nicht ins Meer gehört, dürfte hingegen klar sein. Man schmeisst seinen Plastikmüll ja auch nicht in den Garten.
Aber wenn man das Thema Plastikmüll journalistisch aufarbeitet, dann sollte man sich an die Fakten halten – auch in den Sprachbildern. Und hier ist klar: Zu behaupten, die Ozeane „versinken“ im Plastikmüll (und nicht umgekehrt) ist schlicht und einfach Unsinn.
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